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Third Wave Coffee
Die neue deutsche Kaffeewelle

01/2017

Fans des „Third Wave Coffee“ setzen ein deutliches Zeichen gegen den Massenkonsum der Coffee-to-go-Kultur. Kaffee gilt wieder als Qualitätsprodukt mit handwerklichem Anspruch.

Wer Jörn Gorzolla nach dem perfekten Kaffee fragt, der bekommt neben leuchtenden Augen und leidenschaftlichen Gesten Unmengen an Fachwissen geboten. In seinem hippen Hamburger Café Nord Coast Coffee Roastery bietet der preisgekrönte Barista höchst erlesene Arabica-Bohnen und meisterhaft zubereitete Spezialitäten an: Espresso-Blends und Flat Whites ebenso wie handgebrühten Filterkaffee.

Die feinen Röstungen, die er dafür verwendet, stellt er in der hauseigenen Röstmaschine mit viel Expertise, Sorgfalt und Hingabe her. Gorzolla betont: „Ich setze alle meine Sinne ein, um die perfekt abgestimmte Röstung zu erhalten.“ Und die gewinnt er mithilfe der richtigen Temperatur und ihrer Anstiegskurve, der idealen Röstdauer, dem Geruch, den Geräuschen und natürlich der Optik. „Eine Standardröstung gibt es nicht“, sagt der Kaffeespezialist.

Die Herausforderung: Trend und Tradition miteinander verbinden

Aus diesem Grund arbeitet Gorzolla auch nicht mehr in den großen Röstereien, wo er die Erfahrung gemacht hat, dass niemand mehr experimentiert – obwohl die Beschaffenheit des Rohkaffees immer neu variiert und von so vielen unterschiedlichen Faktoren wie Boden, Klima, Höhenlage und vor allem von der Ernte abhängt. Es sind diese Feinheiten, auf die Gorzolla achtet, um den Kaffees ein Profil zu geben.

Ich setze alle meine Sinne ein, um die perfekt abgestimmte Röstung zu erhalten.
Jörn Gorzolla

In seiner Ehefrau Paula Mendes fand er nicht nur eine Gleichgesinnte, sondern auch eine Geschäftspartnerin. Gemeinsam betreiben sie seit zwei Jahren die Nord Coast Coffee Roastery, nicht weit entfernt von der altehrwürdigen Speicherstadt und doch mit genügend Abstand. Ihr Anspruch: Trend und Tradition miteinander verbinden.

„Third Wave Coffee“ gilt als Spezialität: Herstellung als Handwerk

Die beiden Baristas verfolgen mit dieser Einstellung den sogenannten Third-Wave-Gedanken, der bereits Anfang der 2000er-Jahre im Westen der USA aufkam und sich etwas zeitverzögert auch hierzulande verbreitet. Die Herstellung gilt dabei – genau wie beim Wein – als Handwerk, der Kaffee selbst als Spezialität und Qualitätsprodukt. Im Kampf um die Geschmacksvielfalt übertrumpft der „Specialty Coffee“ mit seinen mehr als 800 möglichen Aromen sogar noch den Wein, der nur schlappe 600 verschiedene Aromen entfalten kann.

Inhaber der Nordcoast Coffee Roastery Jörn Gorzolla © Katharina Werle Jörn Gorzolla von der Nord Coast Coffee Roastery

„Je besser die Qualität des Kaffees, desto direkter die Produktion.“

Anhänger dieser Bewegung wenden sich somit bewusst gegen die Idee von Kaffee als Massenkonsumgut, die während der ersten Welle Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts aufkam, und ebenso gegen die Coffee-to-go-Kultur im Zuge der zweiten Welle, die gegen Ende des 20. Jahrhunderts einsetzte. Elementare Eigenschaften des „Third Wave Coffee“ sind einerseits eine schonende und sorgfältige Röstung sowie andererseits transparente, direkte Handelswege genauso wie faire Produktionsbedingungen. Jörn Gorzolla weiß: „Je besser die Qualität, desto direkter die Produktion.“

Immer mehr Cafés bieten „Specialty Coffee“ an

Es ist ein Konzept, das ankommt. In urbanen Szenevierteln finden sich heute zunehmend kleine Privatröstereien und Cafés, die auf herkömmliche Röstungen verzichten. Dort haben die Kunden die Qual der Wahl: Soll der Kaffee fruchtig und spritzig, schokoladig süß oder klassisch kräftig schmecken? In Milch ertränkte, mit Sirup und künstlichen Aromen verfremdete oder ‚totgeröstete‘ Kaffees hingegen stehen ganz sicher nicht auf der Karte.

Und das sind einige der besten „Third Wave Coffee“-Adressen Deutschlands:

Nord Coast Coffee Roastery - Hamburg Giessen Röstmaschine bei der Privat-Rösterei Nord Coast Roastery © Katharina Werle

In der historischen Deichstraße nahe der Hamburger Speicherstadt fällt die offene Glasfassade der Nord Coast Coffee Roastery sofort auf – besonders die prominent am Fenster platzierte Röstmaschine, die gleich klarmacht, was die Kunden hier erwarten können: eigens geröstete Kaffees mit höchstem handwerklichem Anspruch. Am besten sollte man den zusammen mit den grandiosen Waffeln genießen.

Five Elephant - Berlin Innenaufnahme des Cafés Five Elephant in Berlin © Five Elephant

Die Mikrorösterei Five Elephant in Friedrichshain-Kreuzberg ist nicht nur berühmt für ihren fair gehandelten Kaffee, sondern vor allem auch für den New York Cheesecake. Beidem sagt man den Superlativ „Bester in der Stadt“ nach. Die Klientel ist typisch Berlin – jung, hip, international –, die Innenausstattung gewohnt urban im Retro Design.

Man Versus Machine - München Café und Rösterei Man versus Machine in München © Jan Schünke

Das Café Man Versus Machine im Glockenbachviertel versprüht in dem sonst eher beschaulich gemütlichen München Weltmetropolen-Flair: Cleanes Weiß, Grau und Schwarz treffen hier auf helles Holz. Wenig lenkt von der sagenhaft guten Espressomaschine von Victoria Arduino ab. Was dort herauskommt, ist mindestens so gut wie die handgebrühten Filterkaffees

Hoppenworth & Ploch Rösterei - Frankfurt Rösterei und Café Hoppenworth & Ploch in Frankfurt © Hoppenwort & Ploch

Die Betreiber der Rösterei Hoppenworth & Ploch verfolgen emsig ihre Mission, die edelsten Rohkaffees aufzutreiben und ihren Röstungen feinste Aromen zu entlocken. Nichts soll vom Geschmackserlebnis ablenken. Die Kaffee-Experten selbst beanspruchen für sich, die „erste reine 3rd Wave-Kaffeerösterei in Frankfurt“ zu sein. Von der hohen Qualität ihrer Röstungen überzeugt man sich am besten persönlich.

Schvarz Kaffee Rösterei - Düsseldorf Das Café SchVarz in Düsseldorf © SchVarz

Eine Lagerhalle dient dem Café Schvarz als wahr gewordenes Kaffeeparadies und das Internet als virtueller Katalysator, um die Kaffeemission der Betreiber Arthur Fuchs und Erkan Karakaya in die Welt zu tragen: mit nachhaltig angebautem und fair gehandeltem Spezialitäten-Kaffee für Begeisterung zu sorgen. Es sieht so aus, als gelänge das bislang ganz gut.