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Ernährung
Fleisch aus Pflanzen

08/2019

Es riecht wie Fleisch, sieht aus wie Fleisch, schmeckt wie Fleisch. Und ist doch keins: Fleisch aus Pflanzen ist zurzeit in aller Munde. Aber woraus bestehen die pflanzlichen Würste und Buletten? Und wie gesund sind sie?

Ist Fleisch nur Fleisch, wenn es vom Tier stammt? Oder ist Fleisch die Summe seiner chemischen Bestandteile? Diese Fragen stellte sich vor rund zehn Jahren Ethan Brown. Heute haben viele seine Antwort darauf schon einmal gegessen. Sie heißt: „Beyond Burger“ (etwa: „jenseits von Burger“). Ein Patty aus Erbsenprotein, der riecht, schmeckt und, dank Roter Bete, sogar saftet wie Gehacktes.

In Amerika bereits seit 2013 erhältlich, kam sein Beyond Burger dieses Jahr in den deutschen Einzelhandel. Zuerst exklusiv bei „Lidl“, war er nur Minuten nach Verkaufsstart vergriffen. Noch am ersten Tag des Börsenganges im Mai dieses Jahres schoss der Aktienkurs von Browns Unternehmen Beyond Meat um 163 Prozent in die Höhe. Der Marktwert belief sich damit auf drei Milliarden Dollar, bei einem Umsatz im ersten Quartal 2019 von lediglich 40 Millionen Dollar.
Was Brown für die USA ist, ist hierzulande das niedersächsische Familienunternehmen „Rügenwalder Mühle“. Die beiden Unternehmen haben ähnlich hohe Jahresumsätze und ähnliche Ziele. Erst vor kurzem hat „Rügenwalder Mühle“ die Currywurst aus dem Sortiment gestrichen, um im Segment der Fleischersatz-Produkte zu wachsen. Ein Drittel des Umsatzes machen die vegetarischen und veganen Produkte bereits aus. Der Absatz verdreifachte sich 2018 im Vergleich zum Vorjahr.

Der ökologische Vorteil ist immens

Der Wandel von einer Ernährung mit Tierfleisch zu einer mit Pflanzenfleisch hat auch ökologische Gründe: Die Produktion von Tierfleisch benötigt viel Wasser, Land und Energie. Der World Wildlife Fund hat für Deutschland herausgefunden: Allein das Fleisch auf unseren Tellern ist für 40 Prozent der gesamten Treibhausgase unserer Ernährung verantwortlich. So viel wie Obst, Gemüse, Getreide und Milchprodukte zusammen.
Holger Zorn, Professor am Institut für Lebensmittelchemie und -Biotechnologie an der Universität Gießen erklärt die Zusammensetzung des Pflanzenfleischs: „Meist sind es Proteine aus Soja, Erbsen oder Raps, aber auch aus Lupinen“. Er selbst forscht an Fleischersatz aus Pilz-Proteinen. Außerdem stünden oft auf der Zutatenliste: Färbemittel, meist natürlicher Art, etwa der Saft der Roten Bete, Aromen für den Geschmack, Verdickungsmittel, Fettsäuren, meist aus Kokosöl oder Palmöl und dazu noch Salz und Wasser.

Geschmacklich kommt der Beyond Burger tatsächlich nah an Rinder-Patties heran. Beim Anbraten entsteht sogar ein ähnlicher Geruch wie beim Original. Die Konsistenz, das zeigen auch etliche Einträge in sozialen Medien, kann nicht einmal von passionierten Fleischessern vom Original unterschieden werden.

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Angst vor langen Zutatenlisten unbegründet

Fleisch-Imitate haben oft eine lange Zutatenliste, es sind sogenannte hochverarbeitete Produkte. Gleichzeitig glauben viele Menschen, dass Pflanzen gesünder sind als Fleisch. Was stimmt denn nun? „Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Tierische Proteine sind den menschlichen näher, daher können wir sie besser verwerten als etwa Erbsenprotein. Auf der anderen Seite haben Pflanzen mehr Ballaststoffe, sind also gut für die Verdauung und haben kein Cholesterin. Im Gegenteil: In den verwendeten Pflanzen stecken sogar Phytosterole, die Cholesterin senken“, sagt der Chemiker Zorn.

Ähnlich bewertet die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) Fleischalternativen in einer Untersuchung als „ernährungsphysiologisch günstig“. Vor allem lobt sie die Zusammensetzung „hinsichtlich des Gesamtenergie-, des Fett- und Zuckergehaltes“. Lediglich der für verarbeitete Lebensmittel typische hohe Salzgehalt sorgte für Kritik. Häufig wird vergessen, dass auch Fleisch- und Wurstprodukte verarbeitet wurden und Fleisch kein Element ist. Auch Fleisch- und Wurstwaren enthalten neben tierischen Hormonen, Antibiotikarückständen und Fäkalbakterien zum Teil ebenfalls viel Salz, sowie Transfette und Cholesterin. Die Skepsis gegenüber langen Zutatenlisten ist deshalb zumindest im direkten Vergleich mit einem Fleischprodukt unbegründet.

Das Angebot wächst schnell

Mittlerweile hat der Discounter Lidl sein Monopol verloren. Für rund fünf Euro gibt es den Beyond Burger auch bei Netto und Metro, zwei Euro billiger ist der „Wonder Burger“ bei Aldi. Klangvoll sind sie alle: Es gibt den „Flexitarian Burger“ und den „Incredible Burger“. Bei Burger King heißt er „Impossible-Whopper“, bei McDonald’s einfach „Big Vegan TS“.

„Das Angebot wächst, weil sich immer mehr Menschen bewusst ernähren wollen“, erklärt Zorn, „Die Lebensmittelindustrie nimmt deshalb den Flexitarier ins Visier. Der isst zwar auch mal Fleisch, sucht aber ansonsten pflanzliche Alternativen, sofern sie gut gemacht sind.“