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Junge Winzerinnen
Wein wird weiblich

10/2018

Winzerinnen mischen den Weinmarkt auf und entdecken alte Rebsorten.

Eine Generation junger Winzerinnen ist dabei, den Markt mit ihren Weinen aufzumischen. Dabei Entdecken sie gern alte Rebsorten aus der Region und setzen auf einen moderaten Alkoholgehalt.

Am Morgen stand sie schon um fünf Uhr im Weinberg. Wie weit ist der Riesling? Wie sehen die Trauben aus? Die Hitzewelle, sie beschäftigt Eva Vollmer seit Monaten. »Die Trauben sind drei Wochen weiter als im letzten Jahr«, sagt die Winzerin, die hier und da Beeren mit vergilbten Stellen herausschneidet. »Der Ertrag ist dieses Jahr geringer, aber es könnte ein sehr guter Jahrgang werden.« Zwölf Stunden später wird Vollmer, 36, im Garten ihres Hauses mehr als 100 Gäste empfangen, die zum »Weinpicknick« nach Mainz-Ebersheim gekommen sind. Es hat sich herumgesprochen, dass sie gute Weine herstellt, seit sie 2010 vom Restaurantführer Gault Millau zur Entdeckung des Jahres gekürt wurde. Ihre Spezialität: wenig Alkoholgehalt. »Elf Prozent ist die Zahl, die man gern auf der Terrasse sucht«, sagt sie. »Aber leichtfüßig heißt nicht leicht. Der Wein muss trotzdem Tiefe haben.« Das ist ihr Markenzeichen. Frisch, auch mal fruchtig, auf jeden Fall: voller Geschmack. Daran arbeitet sie seit zehn Jahren, nachdem sie die Weinberge der Eltern übernahm, die Zahl der Sorten verringerte und die Rebstöcke ausdünnte. Alles auf Anfang, alles unter ihrem Namen. »Früher war fast immer der Mann das Aushängeschild des Weinguts, das hat sich in den letzten Jahren geändert.«

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Das Berufsbild der Winzer wird weiblicher

Das Berufsbild Winzer, über viele Jahrzehnte männlich dominiert, ist in Bewegung geraten. Nicht nur in der Region Rheinhessen, auch an der Mosel übernehmen immer öfter die Töchter den elterlichen Betrieb und geben einem vorher unbekannten Weingut ihr Gesicht. Das inspirierte den Filmemacher Christoph Koch dazu, die Frauen in der Branche zu porträtieren. »Wein weiblich. Die erste Generation« heißt eine Filmdokumentation über Winzerinnen, deren Arbeit an einem Jahrgang begleitet wird [Ausstrahlung: 2019]. Neben Eva Vollmer gehört auch Katharina Wechsler zu den Gesichtern der neuen Winzerinnen. Die meisten setzen auf Bio-Anbau ohne den Einsatz chemischer Schädlingsbekämpfungsmittel, reduzieren die Erträge zugunsten der Qualität und entdecken alte Sorten neu.

 

»Es ist anstrengend, aber ich liebe es, am frühen Morgen da oben zu stehen und hinunter ins Tal zu schauen.«
Lena Endesfelder

Wechsler widmet sich besonders intensiv der Scheurebe aus Rheinhessen. Sie wurde früher »lieblich getrunken«, eignet sich aber auch für trockenen Wein. »Sie hat eine große Nase, riecht nach frischen Aromen wie Grapefruit oder Johannisbeere und ist gerade in der Gastronomie sehr beliebt.« Die Scheurebe ist für den Wein vielleicht das, was ein Indian Pale Ale unter Bierfreunden ist – eine Aromabombe, allerdings eine, die nicht alkoholschwer daherkommt. Eine gewisse Frische, gepaart mit knackiger Säure, ist auch das Markenzeichen der Riesling-Weine, die Lena Endesfelder, 25, an der Mosel erzeugt. 2016 zog die studierte Önologin als deutsche Weinkönigin durch die Welt. Doch noch lieber, als über Wein zu reden, macht sie welchen. Unter den Bedingungen, die die Steilhänge an der Mosel mit sich bringen. »Es ist anstrengend, aber ich liebe es, am frühen Morgen da oben zu stehen und hinunter ins Tal zu schauen.«

Mit viel Liebe zum Wein hat auch Lisa Bunn in Nierstein am Rhein den elterlichen Betrieb übernommen und seitdem ausgebaut. Jedes Jahr kommt ein Hektar Anbaufläche hinzu. Doch nicht Menge, sondern Qualität ist ihr oberstes Ziel. Vor allem die Riesling-Weine vom »Roten Hang« in Nierstein haben es ihr angetan. »Der Boden dort enthält viel roten Schiefer und verleiht dem Riesling eine würzige, mineralische Note. Das macht ihn einzigartig.«

© Daniela Mohr
Wir sind eher perfektionistischer, wollen alles 100-prozentig hinbekommen.
Eva Vollmer

Stellen Frauen anders Wein her als ihre männlichen Kollegen? Eva Vollmer hätte die Frage vor einem Jahr noch anders beantwortet. Da begann das Projekt, bei dem fünf Winzerinnen und deren Arbeit mit Kameras begleitet werden. »Damals dachte ich, wir Frauen sind emotionaler beim Weinmachen als Männer. Aber das stimmt so nicht. Wir sind eher perfektionistischer, wollen alles 100-prozentig hinbekommen.« Dass Winzerinnen in den vergangenen Jahren viel mediale Aufmerksamkeit erfahren haben, sei zwar gut fürs Marketing gewesen, so Vollmer. »Aber am Ende zählt immer der flüssige Beweis.«