Mann mit Maske im ICE
© Deutsche Bahn

Nachgefragt
„Der größte und schönste Dienstwagen weltweit“

09/2020

Dirk Kannacher, Vorstand der GLS Bank, setzt nicht nur aus Berufsgründen auf die klimafreundliche Bahn – er nutzt die Fahrt auch zum Arbeiten und Entspannen.

Dirk Kannacher reist heute von Montabaur nach Witten, wir treffen ihn auf einem Zwischenstopp in der DB Lounge in Köln. Noch schnell ein Eis auf die Hand, dann steigen wir in den ICE 953 und fahren gemeinsam nach Hagen. Kannacher arbeitet seit zehn Jahren in der GLS Bank und ist seit Oktober 2017 Mitglied des Vorstands. Die Bank finanziert ausschließlich nachhaltige Projekte und Unternehmen. Er ist bewusst aus der „klassischen Bankerbranche“ ausgestiegen, weil er irgendwann auf der Suche nach mehr Sinn war. Im Interview spricht er über die Vorteile eines schlechten E-Mail-Empfangs, Mitarbeiter-Motivation und Nachtzüge. Und er erklärt, warum wir keine Angst vor Veränderungen haben sollten.

Was haben Sie immer dabei, wenn Sie Bahn fahren?

Mein Handy und meine Airpods, damit ich zwischendurch telefonieren oder einfach mal abschalten und Musik hören kann. Auf Dienstreisen nehme ich noch Laptop oder Tablet mit. Auf diese Weise kann ich überall arbeiten, auch in der Bahn.

Welchen Vorteil hat so ein rollendes Büro?

Der Nachteil, fangen wir mal damit an, sind die Emails, die nicht durchkommen. Das ist aber auch gleichzeitig ein Vorteil. Ich habe Zeit, mich wirklich mal ausführlich mit einem Thema zu beschäftigen. Etwas zu schreiben, dann vielleicht eine Viertelstunde die Augen zu schließen und einen Gedanken sacken zu lassen. Ich glaube, dass es für gute Entscheidungen nicht reicht, einfach nur die Fakten gegeneinander abzuwägen. Man sollte schon versuchen, sich in die Situation hineinzufinden. Das gelingt mir in der Bahn recht gut. Wann sonst habe ich im Laufe eines Arbeitstages schon mal die Gelegenheit, einen Moment runterzukommen?

Welche Musik hören Sie zur Entspannung?

Ich mag deutsche Musik. Meine aktuelle Lieblingsplatte ist Herbert Grönemeyers „Live in Bochum“. Ein Mitschnitt seines Konzerts von vor fünf Jahren, bei dem ich damals auch dabei war. Im letzten Jahr habe ich oft das Album „Ohne Strom“ von den Toten Hosen gehört.

Schauen Sie dabei aus dem Fenster?

Auf Geschäftsreisen eher selten. Wenn ich allerdings im IC nach Hamburg reise, mache ich eine Ausnahme: Der Anblick, wenn der Zug über die Elbbrücken fährt und man im Hintergrund die Elbphilharmonie und den Hafen sieht, ist schon spektakulär.

Mann mit Maske telefoniert im ICE guckt nach draußen
© Deutsche Bahn

Als Chef einer Bank für nachhaltige Wirtschaft ist der Umwelt-Aspekt sicher ein Grund, für Geschäftsreisen die Bahn zu nutzen…

Unsere Unternehmens-Policy sagt ganz deutlich: Innerhalb Deutschlands ist Bahnfahren Pflicht. Auch Fahrten zu europäischen Zielen unter 1000 Kilometern werden auf Schienen zurückgelegt. Ich sehe das auch gar nicht als Problem. Man muss als Arbeitgeber einfach nur wissen, dass der Mitarbeiter dann eben einen Tag vorher um 13 Uhr losfährt. Und wenn ich die Bahnfahrt als Arbeitszeit rechne, geht mir ja nichts verloren. Manchmal muss und möchte man allerdings auch eine weitere Strecke fliegen. Allerdings finde ich, dass Flüge so bepreist sein sollten, dass die Schäden, die im Bereich CO2 entstehen, abgegolten werden können. Ansonsten empfehle ich, die Bahn zu benutzen, weil sie eben das klimafreundlichste Verkehrsmittel ist, das wir haben.

Fiel Ihnen selbst der Umstieg auf die Bahn leicht?

Als ich zur GLS Bank wechselte und fragte, ob ich einen Dienstwagen bekomme, lautete die Antwort: „Ja, den schönsten und größten der Welt. Er ist weiß und hat einen roten Streifen.“ Seitdem fahre ich regelmäßig mit der Bahn und habe mich auch persönlich mit dem ganzen Mobilitätskonzept auseinandergesetzt. Die Bahn ist mein Hauptreisemittel und ich versuche alle anderen Angebote damit zu kombinieren. Auch meine Urlaubsorte suche ich mir mittlerweile so aus, dass ich sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann.

Müssen Sie Ihre Mitarbeiter zum Bahnfahren motivieren oder sind die bereits überzeugt?

Sie bekommen als Chef keine Anerkennung dafür, dass Sie das größte und schickste Auto fahren. Sondern dafür, dass Sie ein Vorbild sind. Ich fahre täglich mit der Bahn zur Arbeit und ein Großteil unserer Mitarbeiter macht es genauso oder nutzt das Fahrrad. Neue Kolleginnen und Kollegen passen sich schnell an, wenn sie merken, dass es für ein dickes Auto auf dem Parkplatz eher fragende Blicke gibt. Deswegen ist es relativ einfach, die Leute zu motivieren, den ÖPNV zu nutzen – und das fördern wir natürlich auch.

Fühlen Sie sich trotz Corona sicher in der Bahn?

Absolut. Ich denke, dass wir mit den Regeln und den Rahmenbedingungen, die derzeit in Deutschland gelten, gut zurechtkommen können. Die Bahn kümmert sich auch vorbildlich um das Thema Kontrolle: So werden Sie beispielsweise schon am Bahnsteig von DB-Mitarbeitern angesprochen, wenn Sie keine Maske tragen. Ich habe außerdem den Eindruck, dass die Reinigungs- und Hygienekonzepte gut funktionieren. Auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt es keine Restriktionen. So lange sie sich an die Regeln halten, sollen sie ruhig alle geplanten Reisen antreten.

Wie wichtig ist es, seine Kunden und Geschäftspartner weiterhin persönlich zu treffen?

Wenn man erste Geschäftsbeziehungen knüpft oder ein kritisches Gespräch ansteht, ist der persönliche Kontakt unabdingbar. Anschlussgespräche können danach über Videokonferenz stattfinden. Mir ist es ein großes Anliegen, nicht nur digitale Gespräche zu führen, es kommt auf die Mischung an. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass es uns gelingt, wirklich zu prüfen, wann persönlicher Austausch notwendig ist und welche Reisen wir unter Umständen auch streichen können.

Der Anblick, wenn der Zug über die Elbbrücken fährt und man im Hintergrund die Elbphilharmonie und den Hafen sieht, ist schon spektakulär.
Dirk Kannacher, Vorstand der GLS Bank

Haben sie sich an das Tragen der Maske gewöhnt?

Inzwischen habe ich in jeder Tasche oder Hosentasche eine Maske stecken. Die hole ich schon automatisch raus. Meistens stört sie mich nicht – im Gespräch aber schon, weil die Mimik fehlt.

Was könnte die Bahn noch verbessern?

Wenn ich mit der Bahn in eine andere Stadt fahre und der Termin etwas außerhalb liegt, muss ich selbst organisieren, wie ich dahin kommen. Es wäre eine tolle Hilfe, wenn mir gleich bei der Buchung ein Vorschlag gemacht wird, der ÖPNV, Flinkster oder Call A Bike direkt integriert. Die Bahn sollte noch mehr Mobilitätsanbieter sein, um mir meinen Weg zu vereinfachen. Und dann habe ich noch einen großen Wunsch.

Nämlich?

Ich wünsche mir den Nachtzug zurück. Wenn ich früher einen Flug nach München ersetzen wollte, habe ich den Nachtzug genommen. Da konnte ich so ein Ein-Zimmer-Apartment mit eigener Toilette und Dusche buchen, das kennen die meisten wahrscheinlich gar nicht mehr. Dann fuhr ich bequem durch die Nacht, sparte das Hotel, war um sieben Uhr morgens in München und hatte den ganzen Tag vor mir. Das ist mit einer normalen Bahnfahrt nicht zu schaffen.

Alle reden über das „neue Normal“ als Synonym für die neue unsichere Wirklichkeit, auf die wir uns jetzt einstellen müssen. Wie gehen Sie damit um?

Ehrlich gesagt, mag ich die Tatsache, dass sich Dinge ändern. Für mich ist Veränderung etwas, was immer im Leben stattfindet, es kommt auf die Haltung an, wie man damit umgeht. „Immer geht ’ne neue Tür auf, irgendwo“ singt Mark Foster. Und das stimmt ja auch. Dann schaut man eben, was sich hinter der neuen Tür verbirgt. Ich versuche, jeder Situation im Leben das Positive abzugewinnen. Das gelingt mir nicht immer, das ist oft auch anstrengend. Aber diese Einstellung gibt mir Kraft, mich auf das Neue einzulassen.