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Nachgefragt
„Die Bahn ist für mich fast immer die bessere Alternative“

05/2021

Thomas Lindner, Geschäftsführer der FAZ, erklärt, warum er am liebsten mit dem Zug zu Geschäftsterminen fährt

Wir erreichen ihn an einem schwülwarmen Sommertag in seinem Büro im zehnten Stock des Verlagsgebäudes der Frankfurter Allgemeine Zeitung. „So schlimm ist es nicht. Wenn man die Fenster öffnet, hat man hier oben sogar die Chance auf frische Luft“, erklärt Thomas Lindner, Vorsitzender der Geschäftsführung FAZ. In Nicht-Corona-Zeiten, wenn es mehr Veranstaltungen, Termine und Einladungen gibt, ist er geschäftlich viel unterwegs und unternimmt bis zu 40 Reisen im Jahr. Im Interview erklärt er, warum er dafür am liebsten die Bahn nutzt und weshalb Videokonferenzen auch in Zukunft persönliche Treffen nicht ersetzen können.

Haben Sie als Vielreisender irgendein Ritual, etwas, das Sie immer machen, wenn Sie in die Bahn steigen?

Wenn ich eine Zugfahrt plane, stelle ich mir ein Arbeitspaket nur für die Zugfahrt zusammen. Das sind Themen, zu denen ich im Büro nicht komme oder die ein bisschen Ruhe bedürfen: Komplexe Texte lesen, Konzepte schreiben oder überarbeiten. Häufig habe ich die FAZ und die Süddeutsche Zeitung dabei und lese die Zeitungen ein bisschen gegeneinander, auch dafür habe ich im normalen Alltag viel zu selten Zeit. Meist setze ich mir einen Kopfhörer auf, hoffe, dass in der Nähe gerade niemand laut telefoniert und fange an zu arbeiten.

Hören Sie Musik?

Entweder höre ich ganz leise Musik, aber meistens höre ich gar nichts, sondern nutze den Kopfhörer, um die Außengeräusche auszublenden.

Blicken Sie manchmal auf die vorbeiziehende Landschaft, um auf neue Ideen zu kommen?

Ehrlich gesagt, schaue ich nie aus dem Fenster, weil ich die ganze Zeit etwas zu tun habe. Oft weiß ich gar nicht, wo ich gerade bin. Ich versuche, Dreiviertel der Zeit zu arbeiten und ein Viertel der Zeit für mich zu haben. Zu wissen, dass ich nicht gestört werde, ist ein schöner Vorteil des Zugfahrens.

Was sind weitere Gründe für Sie, die Bahn zu nutzen?

Zum einen natürlich die hohe Frequenz der ICE-Züge. Mit meiner Bahncard 100 kann ich meine Reisen extrem flexibel organisieren und auch verändern. Dazu kommt, dass mein Weg zum Hauptbahnhof sehr kurz ist, vom Verlag aus exakt eine S-Bahn-Station. Ich bin also schnell da, muss nicht extra zum Flughafen rausfahren und erspare mir lange Wege- und Wartezeiten und den Security-Check. Die gesparte Zeit für An- und Abreise zum Bahnhof kompensiert meistens die längere Fahrzeit.

Welche Strecken fahren Sie am häufigsten?

Ich reise eigentlich alle Distanzen gerne mit der Bahn, von Frankfurt nach München, Hamburg, Berlin. Ein Flugzeug nutze ich nur in Ausnahmefällen, etwa, wenn meine Termine so früh liegen, dass ich sie mit dem Zug nicht schaffen würde.

Aufgrund der Corona-Pandemie sorgen sich manche Reisende vor einer Ansteckung im Zug. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Derzeit fahre ich weniger Bahn, aber das liegt daran, dass es gerade einfach weniger Termine und Anlässe gibt. Der Corona-Virus hält mich nicht davon ab, ich fühle mich weitergehend sicher im Zug. Die konsequenteren Kontrollen beeinflussen das positiv.

Fällt es Ihnen schwer, Abstand zu anderen Reisenden zu halten?

Ich finde, das ist bislang überhaupt kein Problem. Auch an das Tragen der Maske habe ich mich inzwischen gewöhnt. Es ist sogar so, dass ich die Maske automatisch anlege, sobald ich ein öffentliches Verkehrsmittel betrete. Das ist mir zur Routine geworden.

Durch die Pandemie sind viele Arbeitnehmer ins Homeoffice gewechselt. Theoretisch könnten wir unsere Konferenzen ja weiter über Zoom & Co abhalten. Ist es trotzdem wichtig, Kollegen und Kunden auch persönlich zu treffen?

Auf jeden Fall. Am Ende findet alles Handeln und Diskutieren zwischen Menschen statt und nicht zwischen Bildern auf einem Computer. Natürlich kann man den persönlichen Kontakt von der Frequenz her etwas reduzieren, aber er bleibt dennoch unersetzlich. Wir betreiben diese Video-Konferenzen ja jetzt schon ein paar Monate und ich finde, dass man das Gefühl dafür verliert, was den anderen so umtreibt. Zu erfassen: Was beschäftigt den anderen noch? Bahnt sich was an? Dafür muss man sich im echten Leben treffen.

Nutzen Sie die Bahn auch privat?

Ja, im vergangenen Jahr bin ich nach Bellinzona in den Urlaub gefahren. Wenn es irgendwie geht und ich im Urlaub den Wagen nicht unbedingt brauche, dann ist Bahnfahren für mich immer die bessere Alternative. Darf ich aber noch schnell eine kleine Beschwerde loswerden?

Nur zu!

Es ist bitter, dass es im Zug keinen Nesquik-Kakao mehr gibt. Der wurde damals eiskalt im Bord Bistro serviert. Das war für mich und abertausende andere Mitreisende eine kulinarische Essenz der Fahrt. Und die M&M-Beutel sind zu groß, das ist sehr schlimm.

Wir leiten Ihre Wünsche gerne weiter. Eine letzte Frage: Gibt es einen Anblick, der jedes Mal Ihr Herz erwärmt, wenn Sie abends nach Hause fahren?

Die Skyline von Frankfurt ist immer wieder besonders. Und wenn man dann abends in den Hauptbahnhof einfährt, sieht man oben, unter der Hallendecke, den großen, blau leuchtenden Schriftzug der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das ist schon sehr cool.