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Kurzpausen
Tun und Lassen

01/2023

Wer regelmäßig für wenige Minuten pausiert, arbeitet erholter, motivierter und oft sogar produktiver. Trotzdem neigen Beschäftigte dazu, solche Auszeiten aufzuschieben. Psychologe Johannes Wendsche erklärt, wie man Kurzpausen in den Arbeitsalltag integriert und was eine gute Pause auszeichnet.

Gelassen und gesund sein, aber gleichzeitig produktiv: Zwischen diesem Spagat bewegen sich Arbeitende. Dabei bringen Fristen und dringend zu erledigende Aufgaben oft den Vorsatz, pünktlich Feierabend zu machen, durcheinander. Dann macht man doch wieder Überstunden – und hofft auf Erholung am Wochenende oder im ersehnten Urlaub. „Das regelmäßige Einlegen von Kurzpausen wirkt sich aber genauso positiv auf das Wohlbefinden und die Zufriedenheit aus wie ein Urlaub“, sagt Johannes Wendsche. Der Arbeitspsychologe forscht bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin rund um das Thema Pause.

Porträt Johannes Wendsche
Der Arbeitspsychologe Johannes Wendsche forscht rund um das Thema Pause
© Johannes Wendsche

Was sind Kurzpausen?
Unter Kurzpausen verstehen deutsche Wissenschaftler:innen Pausen von einer Dauer bis zu 15 Minuten. Kernmerkmal ist laut Wendsche, dass man den Arbeitsplatz verlässt, etwa um einen Kaffee zu kochen oder auf den Balkon zu gehen. Oft gelten Menschen, die das regelmäßig machen, aber als faul. Die Forschung hingegen weiß schon seit etwa 100 Jahren, dass Kurzpausen entgegen ihrem schlechten Image sogar produktiver machen können.

Im Jahr 1922 publizierte der Physiologe und Psychologe Otto Graf seine Studie über sogenannte lohnende Pausen. Er fand heraus, dass jemand, der mehr Pausen macht und somit kürzer arbeitet, insgesamt mehr schafft. „Seitdem bestätigen Forschende immer wieder: Durch Kurzpausen entsteht meistens ein Produktivitätsgewinn, und die Menschen fühlen sich wohler. Auch physiologisch ist die Stressreaktion geringer“, erklärt Wendsche. Sein Team und er haben 2016 mehr als 130 Studien ausgewertet und die positiven Aspekte zusammengefasst. Und im Sommer 2022 erschien eine Metastudie der rumänischen West-Universität von Temeswar, die erneut die Relevanz von Kurzpausen betont.

Warum sind Kurzpausen sinnvoll?
Wendsche erklärt, dass Kurzpausen eine vorbeugende Funktion haben. Müdigkeit nimmt nämlich exponentiell zu: „Je länger man arbeitet, desto mehr steigt die Ermüdung an. Bei der Erholung ist das genau umgekehrt. Am Anfang der Pause erholt man sich sehr schnell und dann immer weniger. Nach 30 Minuten sind die Erholungsgewinne nur noch sehr gering.“ Macht man also regelmäßig kurze Pausen, baut man die Müdigkeit schnell wieder ab. Das hilft laut Wendsche, langfristig gesund zu bleiben. Legt man keine Pausen ein, erholt man sich schlechter oder gar nicht. So sagen 22 Prozent der Deutschen, dass sie nach der Arbeit nicht abschalten können, und fast die Hälfte erlebt häufig Müdigkeit, Mattigkeit und Erschöpfung (Quelle: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Stressreport, 2020).

Die rumänische Metastudie von 2022 zeigt zudem, dass Kurzpausen insbesondere bei kreativen Tätigkeiten und routinierten Büroarbeiten die Produktivität steigern. Bei letzteren, die oft automatisch und schnell erledigt werden, wird man laut der Studie schnell abgelenkt und macht somit möglicherweise Fehler. Kurzpausen können das verhindern. Und sie machen kreativer. Denn auch wenn man äußerlich nicht arbeitet, verarbeitet das Gehirn weiterhin Informationen und Erlebtes und sucht nach Lösungen für Herausforderungen. Dadurch entstehen etwa beim Mittagsspaziergang, Kaffeekochen oder Bügeln unverhoffte Geistesblitze.

Eine Frau, die aus dem Fenster schaut und Kaffee trinkt
Aus dem Fenster schauen, Kaffee trinken, abschalten: Wichtig ist, in der Kurzpause ein Kontrastprogramm zum Arbeitsalltag zu schaffen
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Wie kann man Kurzpausen in den Arbeitsalltag integrieren?
„Ermüdung ist der letzte Warnschuss“, sagt Wendsche. Daher solle man Pausen nicht erst dann einlegen, wenn man erschöpft ist, sondern sie planen. „Als Regel gilt: bei geistig einfachen Tätigkeiten wie Fließbandarbeit oder körperlich schweren Tätigkeiten circa fünf Minuten Pause pro Stunde; bei geistig komplexen Tätigkeiten fünf bis zehn Minuten jede anderthalb oder zwei Stunden.“ Wendsche rät, die Pause erst dann zu beginnen, wenn eine Aufgabe beendet ist: „Wenn man zwischendurch unterbricht, denkt man weiterhin daran. Man kann also nicht abschalten und erholt sich weniger.“

Ein weiteres Anzeichen dafür, dass man zu lange arbeitet: Man surft zwischendrin im Internet, geht öfter auf Toilette, lenkt sich selbst ab. „Maskierte Pausen“ heißt das in der Arbeitspsychologie. Sie sind weniger erholsam als tatsächliche Pausen. Wie genau man die Pause am erholsamsten gestaltet, ist laut Wendsche jedoch individuell. Manche plaudern mit Kolleg:innen an der Kaffeemaschine, andere beobachten Vögel am Fenster, und wieder andere tanzen zum Lieblingslied durch die Wohnung oder atmen auf dem Balkon tief durch. Wichtig ist: „Man sollte etwas anderes tun als in der Arbeitszeit: Wer viel sitzt, sollte aufstehen, wer viel redet, mal ruhig sein, und wer viel im Büro ist, rausgehen.“

Wendsche hofft, dass Firmen in Zukunft eine „Erholungskultur“ ansteuern. „Betriebe sollten es schätzen, wenn Mitarbeitende Pausen einlegen, und Praktiken und Regeln etablieren, die das ermöglichen. Wir wissen aus Studien, dass Zeitdruck und eine hohe Arbeitsdichte dazu führen, dass man an Pausen spart und freiwillig Überstunden macht.“ Um das zu ändern, nimmt Wendsche insbesondere Führungskräfte in die Verantwortung. Sie sollten mehr Pausen machen, um ihren Mitarbeitenden die Norm der Pause vorzuleben. Wendsche sagt: „Die Menschen müssen begreifen, dass Arbeit nicht nur bedeutet, Leistung in einer bestimmten Zeit zu erbringen, sondern dass man auch regelmäßig Zeit braucht, um diese Arbeit zu unterbrechen und sich zu erholen.“