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Internationalisierung

08/2016

Wer im Ausland erfolgreich Geschäfte machen will, muss die interkulturellen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter stärken. Hier hat der deutsche Mittelstand noch großen Nachholbedarf, sagt Anja Karlshaus, Professorin für Personalmanagement an der Cologne Business School.

Frau Karlshaus, mittelständische Unternehmen aus Deutschland sind international sehr erfolgreich. 37 Prozent produzieren oder verkaufen im Ausland, ein internationaler Spitzenwert. Was ist das Geheimnis dieses Erfolgs?

Es sind die vielen innovativen technischen Lösungen, Dienstleistungen und Produktspezialisierungen, die es dem deutschen Mittelstand erlauben, neue Märkte zu erschließen. Der Erfolg hierfür kommt aus dem Inneren der Unternehmen und liegt zum einen in den Führungspersönlichkeiten vieler Familienbetriebe, zum anderen in dem Fachwissen ihrer Mitarbeiter. Studien belegen immer wieder, dass „Made in Germany“ in aller Welt als Synonym für Qualität steht.

Gute Produkte allein reichen aber nicht aus, um auf Auslandsmärkten erfolgreich zu sein. Man muss auch das Talent haben, sie zu verkaufen…

Da sprechen Sie einen wunden Punkt an. Unsere mittelständischen Unternehmen haben vielfach noch keine interkulturelle Kompetenz aufgebaut. Zwar werden in Berufsausbildung und Studium oftmals grundlegende soziale Kompetenzen vermittelt, die für Auslandsgeschäfte wichtig sind. Doch es braucht viel mehr, um in aller Welt erfolgreich Geschäfte zu machen. Man muss ein Gespür für Menschen aus anderen Kulturkreisen besitzen, Fettnäpfchen vermeiden und Beziehungen aufbauen können. All das fällt unter das Stichwort „interkulturelle Kompetenz“. In vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die im Allgemeinen stark in ihrer Region verwurzelt sind, hapert es bereits an den Fremdsprachenkenntnissen ihrer Führungskräfte mittleren Alters.

Zur Person Ökonomin Dr. Anja Karlshaus © Selina Pfrüner Dr. Anja Karlshaus ist Professorin für Human Resource Management und Business Operations an der Cologne Business School. Studiert hat sie an der Universität Köln und der Santa Clara University und in Betriebswirtschaftslehre promoviert.

Welches sind die größten Baustellen?

Im Kern geht es darum zu verinnerlichen, dass jede Kultur nach eigenen Regeln funktioniert, die Respekt verdienen. Das schlägt sich in der täglichen Arbeits­organisation genauso nieder wie in Führungsstilen oder der Kommunikation mit Geschäftspartnern. In Frankreich herrscht beispielsweise eine ganz andere Besprechungskultur als in Deutschland. Während hierzulande in Meetings meist verbindliche Entscheidungen getroffen werden, dienen sie in Frankreich eher dem Informationsaustausch. Entscheidungen werden vorher oder hinterher getroffen. Der typische Führungsstil in Frankreich oder Spanien ist deutlich autoritärer. Deutsche Mitarbeiter erwarten hingegen Entscheidungs- und Handlungsspielraum. Auch in der Kommunikation und der Gestik sind viele Unterschiede zu finden. Unter dem freundlichen angelsächsischen „I wonder if this really is the best solution …“ ist beispielsweise eine Absage zu verstehen, die der Deutsche leicht missinterpretieren kann. Während das Lachen in Deutschland als Fröhlichkeit gedeutet wird, signalisiert es in Japan oft auch Unsicherheit, Verwirrung oder Verlegenheit. Unser Kopfschütteln „Nein“ bedeutet in Indien sowie einigen weiteren Ländern ein „Ja“. Es gibt unzählige weitere Beispiele.

Wenn die interkulturelle Kompetenz eher schwach ausgeprägt ist – wie erklärt sich dann die gute Bilanz vieler deutscher Firmen im Ausland?

Oft erfolgt der Markteintritt schrittweise, zum Beispiel durch die Gründung von Joint Ventures oder Akquisitionen. In beiden Fällen gewinnt das Unternehmen lokales Wissen und kann bereits etablierte Vertriebswege nutzen. Viele Organisationen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten darauf konzen­triert, ihre Produkte oder Dienstleistungen erst einmal in den europäischen Nachbarländern anzubieten, deren Kultur nicht ganz so fremd anmutet. Doch nun wenden sich mehr und mehr Firmen aufstrebenden Märkten in Asien und Südamerika zu. Damit stehen sie vor großen Herausforderungen.

Ökonomin Anja Karlshaus © Selina Pfrüner

Vor welchen Schwierigkeiten stehen deutsche Firmen im Umgang mit chinesischen Partnern?

Der chinesische Markt ist immer noch durch eine enorme Wachstumsdynamik und einen sehr starken Wettbewerb gekennzeichnet. Eine der größten Herausforderungen für die Personalarbeit ist hierbei die Gewinnung und Bindung kompetenter und motivierter Mitarbeiter. Gut qualifizierte Fachkräfte haben zahlreiche alternative Optionen, die sich in einer ausgesprochen hohen Fluktuation zeigen. Die ist teilweise auch den großen Kulturunterschieden geschuldet. Während die deutsche Kommunikation deutlich direkter ist, ist es für den chinesischen Partner wichtiger, Re­spekt zu zeigen und sich dementsprechend auszudrücken. Unternehmen müssen hier zum einen mit hohen Gehältern locken. Zum anderen sind für die langfristige Bindung der Mitarbeiter auch nichtfinanzielle Anreize wie Trainings oder internationale Austausch­programme sehr bedeutsam.

Kann man das Verständnis einüben?

Zu einem gewissen Grade ja, durch interkulturelle Trainings für Mitarbeiter. Dabei geht es um kognitive Methoden, die primär der Wissensvermittlung dienen, etwa Sprachkurse, Filme und Vorträge, aber auch um verhaltensorientierte Ansätze. Hierzu zählen Rollenspiele, Simulationstrainings und Learning by Doing.

Viele Unternehmen beschäftigen im Ausland auch einheimische Angestellte. Ist es sinnvoll, auch deren interkulturelle Kompetenz zu trainieren?

Unbedingt. Hier können sich Mittelständler einiges bei großen Konzernen abschauen, zum Beispiel beim japanischen Autohersteller Honda. Er betreibt Werke in Amerika. Und die dortigen Mitarbeiter haben alle die Möglichkeit, Japanisch zu lernen und sich mit der japanischen Kultur vertraut zu machen. Andere Konzerne bieten ihren ausländischen Mitarbeitern an, für einige Wochen oder Monate in der Unternehmens­zentrale im Heimatland des Unternehmens zu arbeiten. Solche Projekte fördern die Kommunikation und damit das gegenseitige Verständnis.

Bahn-Profil Networking ist das, was Anja Karlshaus, 40, mit Bahnfahren verbindet. Eine Zeit lang pendelte sie oft mit dem ICE von ihrem Wohn­ort Köln zur Arbeit nach Frankfurt a. M. – und traf viele Bekannte aus ihrem Studium. „Das hat mein Netzwerk enorm erweitert.“ Heute nimmt sie den Zug auf längeren Strecken, um z. B. an Konferenzen teilzunehmen. „Unterwegs habe ich viel Ruhe zum Arbeiten.“

Müssen Mitarbeiter dazu verreisen?

Immerhin ist die Kommunikation mit Kollegen und Kunden im Ausland in den vergangenen Jahren viel einfacher geworden, etwa durch Videokonferenzen. Das stimmt, allerdings eignet sich solche Technik meist nur zum Austausch von Informationen. Vertrauensvolle Beziehungen lassen sich auf diesem Wege kaum aufbauen. Persönliche Kontakte sind in vielen Kulturen extrem wichtig. Gemeinsames Essen und Gespräche über scheinbar private Themen ebnen den Weg zu einem erfolgreichen geschäftlichen Verhand­lungsabschluss. Wer ins Ausland geht, muss Freunde und Familie zurücklassen.

Sind junge Mitarbeiter dazu bereit? Gerade die sogenannte Generation Y legt sehr großen Wert auf Work-­Life-Balance…

Und doch wünschen sich viele Mitglieder der Generation Y einen Arbeitgeber, der ihnen die Möglichkeit eines Auslandseinsatzes und der damit verbundenen persönlichen Weiterentwicklung bietet. Allerdings gilt dies vor allem in den ersten Jahren im Beruf und ist zeitlich beschränkt. Für Mittelständler ist das nichtsdestotrotz eine wichtige Information: Wenn sie Job-Stationen im Ausland anbieten können, haben sie beim Werben um talentierte Mitarbeiter einen Vorteil. Und Fachkräfte der Generation Y bieten im Allgemeinen eine bessere sprachliche und interkulturelle Vorbildung als die Generationen zuvor.