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Reden wir über...
Selbstmarketing

09/2016

Sie sind gut. Nur wissen das die meisten noch nicht? Das lässt sich ändern, sagt Petra Wüst, die Expertin für Selbstmarketing. Im Interview erklärt sie, wie man sich und seine Leistung optimal vermarket, ohne dabei zum Schaumschläger zu werden

Frau Wüst, Sie sind Expertin und Coach für Self Branding – also für die Kunst, sich selbst gut zu verkaufen. Geht es da um Äußerlichkeiten wie zum Beispiel den Kleidungsstil?

Kleidung spielt eine Rolle bei der Frage, wie andere einen wahrnehmen, und ob sie sich an einen erinnern. Aber beim Selbstmarketing geht es zuallererst um das, was man ist und kann. Der Kleidungsstil oder eine bestimmte Frisur sind Markenzeichen, sie sind aber nicht die Marke selbst. Für ein erfolgreiches Selbstmarketing braucht es mehr als ein einziges Wiedererkennungszeichen. Die Marke ist ein ganzes Paket.

Was macht denn eine persönliche Marke aus?

Sie müssen zwei Dinge unterscheiden: Marke und Marketing. Um erfolgreich Selbstmarketing betreiben zu können, brauchen Sie erst einmal ein Profil.

Und wie erlangt man ein solches Profil?

Selbstmarketing beginnt immer mit der Frage: Wer bin ich? Welche Werte vertrete ich? Welche Talente und Fähigkeiten habe ich? Wo liegen meine Stärken? Was leiste ich? Und: Welche Emotionen löse ich regelmäßig bei anderen aus?

Die Leute lernen, positiv über das zu sprechen, was sie gut machen. Das ist keine Angeberei, sondern Wertschätzung gegenüber sich selbst.
Petra Wüst

Aber wer ständig nur erzählt, wie großartig er ist, gilt schnell als Angeber …

Wir sind eben zur Bescheidenheit erzogen, deshalb fällt es vielen so schwer, auch mal das Positive zu benennen. Wir reden mit Kollegen, mit Vorgesetzten immer über das, was gerade nicht läuft. Aber wir sprechen nicht über das, was läuft. Die Leute sollen lernen, einfach nur natürlich positiv über das zu sprechen, was sie gut machen – und das ist häufig mehr, als man denkt.

Ich bleibe dabei: Wer ungefragt seinen Kollegen seine Heldentaten auftischt, wird sich nicht sehr beliebt machen. Was antworten Sie, wenn ein Kollege Sie fragt, wie es gerade so läuft?

Viele von uns sagen, sie sind total im Stress. Das ist etwas Negatives. Stattdessen könnten sie auch von der gut gelaufenen Präsentation am Morgen erzählen und dass der Kunde gerne sofort ein Angebot hätte. Wenn man das mit ehrlicher Freude und ehrlichem Stolz macht, ohne die Leistungen anderer herabzuwürdigen, dann ist das keine Angeberei. Das ist Wertschätzung gegenüber sich selbst. Der erste Schritt zum erfolgreichen Selbstmarketing im Beruf: Machen Sie jeden Tag eine positive Bemerkung über die eigene Arbeit. Nur bitte nicht immer zu den gleichen Leuten.

Zur Person Petra Wüst ist Experting für Selbstmarketing © Herbert Zimmermann Geboren 1967 in Winterthur in der Schweiz, studierte Petra Wüst Volkswirtschaftslehre und Psychologie und arbeitete als Beraterin am Managementzentrum St. Gallen. Seit 2004 ist die Schweizerin mit ihrer Beratungsfirma Wüst Consulting in Basel tätig, die sich auf Self Branding und Selbstmarketing spezialisiert hat. Sie ist Coach, Referentin und Autorin mehrerer Bücher zum Thema (u.a. „Schüchtern war gestern“, Orell Füssli Verlag).

Also geht es doch darum, wie man ankommt?

Ja, es geht auch darum, sich zu zeigen, den Menschen etwas zu verkaufen. Und was wollen die Leute? Emotionen. Nehmen wir das Beispiel Uhren. Es gibt Billiguhren aus Fernost, die zeigen die Zeit an. Und es gibt Uhrenmarken mit langjähriger Tradition. Die Uhren von Marken mit langjähriger Tradition sind teurer, aber trotzdem kaufen die Menschen sie, denn sie transportieren Emotionen: zum Beispiel das gute Gefühl, sich auf die Uhr verlassen zu können. Oder das Gefühl, etwas sehr Besonderes am Handgelenk zu tragen. Die Uhrzeit ist bei allen Uhren die gleiche, das Gefühl des Trägers ein ganz anderes. So ähnlich ist es mit Menschen auf der Karriereleiter: Ob man mit einer Person zusammenarbeiten will, sie einstellen oder befördern will, hängt nicht nur von ihren Qualifikationen ab, sondern auch davon, welche Emotionen sie auslöst.

Wie kann man das zu seinen Gunsten beeinflussen?

Indem man das Positive an der eigenen Person stärker hervorhebt als die eigenen Schwächen. Wenn ein Glas zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist, kann man sagen: Es ist halb voll, und was da drin ist, ist gut und wertvoll. Oder man sagt, das Glas ist halb leer, aber die andere Hälfte fehlt noch, und was schon im Glas ist, ist nicht der Rede wert. Erfolgreiches Selbstmarketing besteht vor allem darin, über das zur Hälfte gefüllte Glas und seinen Inhalt positiv zu sprechen: „Da ist schon so viel drin, und was drin ist, ist gut.“

Warum ist es denn gerade für die Karriere so wichtig, sich gut selbst vermarkten zu können?

Weil in unserer modernen Arbeitswelt jeder fähig sein muss, sich vor Kunden, Kollegen und Vorgesetzten hinzustellen und zu zeigen. Außerdem gibt es einen Konkurrenzkampf um die besten Arbeitsplätze. Trotzdem kommt es bei Bewerbungen immer wieder zu einem klassischen Fehler des Selbstmarketings. Zum Beispiel, wenn eine Stelle fünf Fähigkeiten erfordert, der Kandidat davon aber nur vier erfüllt. Und worüber spricht er zuerst? Über die eine Sache, die er nicht kann.

Bahn-Profil Petra Wüst fährt regelmäßig von Basel aus mit dem Zug nach Deutschland – besonders gern mit dem ICE, sagt sie: „Man reist immer sehr bequem, selbst in der 2. Klasse.“ Allerdings schätzt sie sehr, dass ihr in der 1. Klasse der Kaffee bis an ihren Platz gebracht wird. Petra Wüst ist Expertin für Selbstmarketing © Herbert Zimmermann

Für Selbstmarketing scheint man eine gehörige Portion Selbstvertrauen zu brauchen. Das kann nicht jeder bieten. Ist das also nur etwas für Extrovertierte?

Nein, Selbstmarketing kann jeder. Sicher, wer mit viel Selbstvertrauen gesegnet ist, dem fällt es leichter, über seine Erfolge zu sprechen. Aber es ist ein Prozess, der in vielen kleinen Schritten abläuft, und jeder startet mit dem, was er hat. Es geht darum, jeden Tag positiv über all die kleinen Leistungen zu sprechen, die man erbringt. Damit wächst das eigene Selbstvertrauen. Wer es tut, merkt, dass es geht. Wenn dann noch positives Feedback kommt, umso besser. Es ist so wichtig zu verstehen: Selbstmarketing ist keine Hexerei. Alle denken, es sei schwer, und man müsse sein ganzes Denken und Handeln umkrempeln. Aber ich warne sogar ausdrücklich davor, eine 180-Grad-Wende zu machen und sich plötzlich einen neuen Kleidungsstil zuzulegen oder die Kollegen ständig mit den eigenen Heldentaten zu belästigen. Das ist nicht Selbstmarketing, das ist Schaumschlägerei. Vor allem ist es nicht authentisch. Wer von der grauen Maus zum Showstar wird, blufft in den meisten Fällen. Und bluffen ist der falsche Weg.

Das heißt, man sollte sich ehrlich verkaufen?

Ohne echte Leistung ist nichts da, was man positiv hervorheben könnte. Aber es gibt eine goldene Regel des Selbstmarketings: Rede nicht schlecht über dich und deine Leistung, wenn es nicht sein muss. Das bedeutet, man spricht natürlich schwerwiegende Fehler an und versucht sich zu verbessern. Aber Schwächen, die kaum jemand bemerken würde, wenn man nicht explizit darauf hinweist, darf man ruhig mal verschweigen. Beginnen Sie keine Präsentation mit den Worten „Ich möchte Sie jetzt nicht langweilen“, dann erwarten die Zuhörer förmlich genau das. Ohne Ihren Hinweis hätte der ein oder andere die Präsentation vielleicht noch ganz inspirierend gefunden.

Mehr Infos: wuest-consulting.ch