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Sinn erleben
Social Days: Ehrenamt statt Arbeit

04/2022

Sich während der Arbeit ehrenamtlich engagieren: An „Social Days“ stellen Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen dafür frei. Wie findet man passende Projekte?

Sie sortieren gespendete Lebensmittel und Kleidung, verteilen sie und warten am Bahnhof auf Geflüchtete. Manche dieser Helfer:innen wären zu dem Zeitpunkt eigentlich auf der Arbeit – doch dank sogenannter Social Days sind sie für das Ehrenamt freigestellt. Immer mehr Unternehmen ermöglichen es ihren Mitarbeiter:innen, sich für eine festgelegte Zahl an Tagen zu engagieren. Entweder mit der gesamten Belegschaft, der Abteilung oder allein.

Hinter Social Days steht ein „Purpose-Trend“, sagt Wirtschaftswissenschaftlerin Laura Marie Edinger-Schons. Sie leitet den Lehrstuhl für nachhaltiges Wirtschaften an der Universität Mannheim. Nach ihrer Beobachtung verschreiben sich immer mehr Unternehmen einem Purpose, also einem Sinn und Zweck. Die Herausforderung liege darin, diesen Sinn zum Leben zu erwecken. Dazu bieten Social Days eine Möglichkeit.

Planung von Social Days: Wichtig ist es, alle einzubeziehen
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Organisation von Social Days

Am Anfang sollte die Unternehmensführung die eigenen Visionen und Ziele definieren und sich fragen, welche Projekte dazu passen, empfiehlt das gemeinnützige Beratungshaus Phineo in einem Ratgeber. Gleichzeitig gelte es zu beachten, dass das Engagement tatsächlich etwas bewirkt. Das Management legt danach fest, wie viele Tage die Mitarbeiter:innen für ehrenamtliche Tätigkeiten freigestellt werden können – und meist auch, für welche Projekte.

Grundsätzlich unterscheidet man zwei Arten: „Traditional Volunteering“ und „Skill-based Volunteering“. Bei Letzterem setzen Menschen ihre Fähigkeiten aus dem Beruf ein. Ein Beispiel dafür ist, wenn Informatiker:innen eine IT-Schulung für Kinder veranstalten. Diese Form ist insbesondere bei Jüngeren im Alter von unter 35 Jahren beliebt. Das zeigt eine Studie der Universität Mannheim in Kooperation mit der Beratungsagentur Beyond Philanthropy aus dem Jahr 2018, an der auch Wissenschaftlerin Edinger-Schons beteiligt war. Ältere hingegen bevorzugen das Traditional Volunteering, also fernab des Arbeitsalltags anzupacken. Beispiele dafür sind, Müll zu sammeln oder eine Grundschule zu renovieren.

Damit die Mitarbeiter:innen Lust auf solche Projekte haben, ist es wichtig, sie in die Auswahl einzubeziehen und sie zu ermutigen, Vorschläge zu machen und mitzuentscheiden. Bestimme allein die Unternehmensführung, erläutert Edinger-Schons, bestehe die Gefahr, dass nur solche Projekte ausgewählt werden, die zum Kerngeschäft des Unternehmens passen und sich positiv auf die Reputation auswirken. Dadurch würden möglicherweise Projekte vernachlässigt, die eigentlich ebenfalls ehrenamtliche Unterstützung benötigten.

In Mannheim etwa würden nur wenige Unternehmen einen Drogenverein oder eine Organisation für Frauen in der Prostitution unterstützen, da diese Bereiche gesellschaftlich stigmatisiert sind, so Edinger-Schons. Die Arbeit mit Kindern hingegen sei für die meisten leicht zugänglich. Vermittlungsagenturen können dabei helfen, herauszufinden, welche Projekte zu den Unternehmensvisionen passen, und gleichzeitig dort anzusetzen, wo tatsächlich Bedarf besteht.

Sinn und Gemeinschaft erleben: Social Days stärken die Zufriedenheit
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Allein oder im Team?

Der Vorteil am Engagement im Team liegt darin, dass es den Zusammenhalt stärkt. Und die Wissenschaft weiß: Wer sozial eingebunden ist, ist meistens glücklicher. Dabei sollte die Teilnahme aber freiwillig sein und kein Gruppenzwang entstehen. Organisiert man einen Social Day für sich allein, kann man wiederum ohne Kompromisse ein Projekt auswählen, das man als sinnvoll erachtet.

Sinn – das ist der Kern der Social Days. Erleben Menschen Sinn, so belegen Studien, sind sie motivierter und zufriedener. Sie leisten dann tendenziell mehr und Besseres, sagt Wissenschaftlerin Edinger-Schons. Außerdem lernen sie während des Ehrenamts Neues, erleben andere Arbeitswelten, werden offener und toleranter. Diese Einstellungen bringen sie dann mit in die Unternehmenskultur. Damit der Sinn darin aber wirklich verankert sei, erklärt Edinger-Schons, brauche es in vielen Unternehmen noch einen „Kulturwandel“ in den Führungsetagen. Dass dieser kommt, ist ihrer Einschätzung nach absehbar: Immer mehr Menschen fordern die Sinnhaftigkeit von ihrer Arbeit.

Social Days können zudem noch mehr erreichen, als die Arbeitszufriedenheit und den Unternehmenszusammenhalt zu stärken. Eine Hoffnung liegt Edinger-Schons zufolge darin, dass sie für gesellschaftliche Herausforderungen sensibilisieren und zu weiterem Engagement anregen.