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Manifesting
Stell dir vor!

06/2022

Der Trend zum positiven Denken hat eine neue Formel gefunden. Doch Manifesting ist mehr als reine Wunschvorstellung. Wir erklären, was damit gemeint ist und wie es funktioniert.

Es klingt verlockend: Alle Träume und Wünsche können in Erfüllung gehen – wenn wir nur genug davon überzeugt sind. So verspricht es das Prinzip des Manifestings. Sofort fragt man sich: Ist das wieder so ein Trick, der einem vorgaukelt, ohne Anstrengung reich und erfolgreich zu werden? Eine neuzeitliche Version von „Aladin und die Wunderlampe“? Die Fortsetzung von „Bestellungen beim Universum“? Jedenfalls entfaltet Manifesting, zu Deutsch „Manifestation“, seit einiger Zeit so viel Interesse, dass Google und YouTube Millionen von Beispielen und Anleitungen dazu auflisten. Doch was steckt eigentlich dahinter?

Sichtbar machen, was im Verborgenen liegt
Manifestieren meint das Sichtbarwerden von Dingen aller Art, die vorher unsichtbar oder gestaltlos waren. Der Begriff findet Anwendung ebenso in der Medizin wie in der Religion und machte in den Nuller-Jahren in der spirituellen Szene Karriere durch die Ratgeberbücher der Australierin Rhonda Byrne („The Secret“). In den letzten Jahren verließ die Methode die Räucherstäbchenecke und fand viele jüngere Anhänger:innen über die sozialen Medien*. Längst bekennen sich auch Prominente zu der Form des positiven Denkens. So bezeichnet sich US-Moderatorin Oprah Winfrey als „powerful manifestor“. In Deutschland nutzen zunehmend Berater:innen sowie Yogalehrer:innen das Manifestieren zur Persönlichkeitsentfaltung.

Im Kern geht es darum, Wünsche Wirklichkeit werden zu lassen. Man kann alles manifestieren: das Haus am See ebenso wie den Sportwagen oder die Vision vom eigenen Unternehmen. Manifesting ist aber weit mehr als eine Formel aus der Abteilung „Du musst nur fest genug daran glauben“. Die Grundannahme, unsere Träume werden sich schon erfüllen, wenn wir genügend positive Gedankenkraft ins Universum senden, wird dabei um einen entscheidenden Aspekt erweitert: Man muss selbst aktiv werden. Es sind also einige Schritte nötig auf dem Weg von der Vorstellung bis zur Umsetzung.

Mehr als Wünsch-dir-was: Es geht darum, aktiv an der Umsetzung zu arbeiten
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1. Was ist das Ziel?
Am Anfang gilt es erst einmal zu klären, wohin die Reise gehen soll: Was ist mein Ziel? Was will ich erreichen? Und bis wann? Hier zählen keine Allgemeinplätze wie „glücklich werden“ oder „erfolgreich sein“. Die Yogalehrerin und Autorin Nicole Bongartz rät dazu, sich genügend Zeit zu nehmen, um den tiefsitzenden Wünschen auf den Grund zu gehen. „Sind das wirklich meine Ziele? Oder versuche ich damit, andere zu beeindrucken? Warum will ich das? Hör auf dein Herz und streiche alle Punkte von der Liste, die nicht wirklich aus deinem tiefsten Innersten kommen.“

2. Ganz genau
Hilfreich ist es, wenn die Wünsche so kleinteilig und konkret wie möglich sind. Zum Beispiel beim Traum von einem neuen Job: Wie soll er aussehen, wie sehe ich darin aus, wie ist mein Alltag, und welchen Aufgaben gehe ich nach? In Gedanken ist es längst keine Vision mehr, sondern bereits Realität. Ein Vorschlag, der immer wieder auftaucht: alles aufschreiben! Das fördert die Genauigkeit und die Vorstellungskraft.

Je konkreter, desto besser: Bei der Traumerfüllung hilft eine Visualisierung der Ziele
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3. Wenn die Zweifel kommen
Schaffe ich das wirklich? Ist das alles nicht nur eine nette Träumerei? Es ist nicht leicht, den eigenen Wünschen zu trauen. Zumal der Methode des Manifestings etwas Esoterisches anhaftet. Dabei sprechen auch wissenschaftliche Studien dafür, dass Annahmen über eine Realität deren Erfüllung unterstützen – nach dem alten Motto „Der Glaube versetzt Berge“. Eine positive Einstellung hilft, sich in seinen Wünschen selbst zu bestärken und die inneren Zweifel nicht übermächtig werden zu lassen. Und sollte die Stimme der Bedenken zu laut werden, lohnt es sich, zur Motivation noch einmal an das „Warum?“ zu denken. Warum möchte ich mir diesen Wunsch erfüllen?

4. Wunder brauchen etwas länger
Manifesting ist kein Wundermittel und auch kein Postfach, in das man einmal seinen Wunsch einwirft, um dann abzuwarten. Stattdessen ist es wichtig, sich täglich ein paar Minuten mit seiner Vision zu beschäftigen. Am besten reserviert man sich dafür einen festen Zeitraum. Nachdem der Traum einmal visualisiert wurde, hilft es, auf einem Vision Board eine Collage mit passenden Bildern aus Magazinen oder dem Internet zu erstellen. Am besten dort aufstellen, wo es einen täglich inspiriert. Neben der Visualisierung kann es helfen, das Ziel in Worte zu fassen. Eine Affirmation ist ein bejahender, positiv formulierter Satz, den man sich selbst vorsagt, um sich positiv einzustimmen (siehe auch coachinglovers.com). Yoga und Meditation unterstützen ebenfalls den Weg zum Ziel.

5. Chancen sehen
Die Erfüllung geschieht nicht über Nacht. Es reicht auch nicht, das Ziel fest ins Auge zu fassen. Auf dem Weg dorthin kann es notwendig sein, die Komfortzone zu verlassen. Wer mit offenen Augen durchs Leben geht, dem bieten sich immer wieder Gelegenheiten, die den Weg zum Ziel unterstützen können. Und ganz wichtig: Ab und zu sollte man sich bewusst machen, was man bereits geschafft hat.

*Zu der Bekanntheit trug auch der Bestseller „Manifest: 7 Steps to Living Your Best Life“ von der britisch-irakischen Autorin Roxie Nafousi bei.