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Tipps für mehr Energie
Tschüss, Müdigkeit! Hallo Energie!

02/2022

Die renommierte Ärztin Dr. med. Anne Fleck gibt Tipps, wie wir die Wintermüdigkeit abschütteln und unsere Energiedepots schnell wieder aufladen.

Die renommierte Ärztin für Präventiv- und Ernährungsmedizin Dr. med. Anne Fleck gilt als Pionierin der modernen Ganzheitsmedizin. Sie verbindet innovative Individualmedizin, moderne Forschung und tradierte Heilverfahren. Einem breiten Publikum bekannt ist Fleck aus dem TV, wie der NDR-Fernsehserie „Die Ernährungs-Docs“, und als Bestsellerautorin.

Ihr aktuelles Buch „Energy in 5 Minuten“ ist ein Mitmachbuch. Mit unkomplizierten Alltagstipps soll es mehr Power, Lebensfreude und Gesundheit bringen. WAGEN EINS hat die Energie-Expertin gefragt: Wie schaffen wir es, die Müdigkeit, die uns durch die Wintermonate und die Pandemie in den Knochen steckt, abzuschütteln?

Dr. Flecks aktuelles Gesundheitsbuch
© dtv

WAGEN EINS: Haben Sie drei Schnelltipps parat, die uns schnell neue Energie schenken?

Fleck: Erstens: unser Atem! Wenn wir einen tiefen Atemzug nehmen, wirkt das unmittelbar bremsend auf die Ausschüttung von Stresshormonen: Adrenalin und Cortisol werden gedämpft, das entspannt.
Zweitens: am Morgen direkt nach dem Aufwachen ein bis zwei Gläser zimmertemperaturwarmes Wasser trinken. Damit gleicht man das Flüssigkeitsdefizit von etwa 500 Millilitern, was man über Nacht ausgeatmet hat, unmittelbar wieder aus. Das schenkt Energie und Konzentration, die Verdauung wird angekurbelt. Sogar chronische Verstopfung kann sich damit in Luft auflösen.
Drittens ein Tipp aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM): mit den Händen beide Ohren kurz und intensiv durchkneten. Über die Stimulation erreicht man eine Aktivierung des gesamten Körpers. Der spiegelt sich, laut TCM, in der Ohrmuschel wider.
Viele Menschen unterschätzen, wie machtvoll schon kleine Dinge sind, die man ohne großen Aufwand täglich machen kann, und wie sich diese über die Jahre positiv auf die Gesundheit auswirken. Ich liefere in meinen Büchern viele einfache Tipps, wissenschaftlich fundiert und in meiner täglichen Praxis bewährt.

Doc Flecks „Schlankteller“
© Katharina Fleck

WAGEN EINS: Iss dich gesund, Genuss ist besser als Verzicht: Die individuell passende Ernährung hat auch in Ihrer Doc-Fleck-Methode einen wichtigen Stellenwert. Sie empfehlen den sogenannten gesunden Schlankteller. Wie sieht der aus?

Fleck: Ernährung ist ein enorm wichtiges Puzzleteil für unsere Gesundheit. Da passieren täglich Fehler. Doch kann man ohne großen Aufwand soviel wieder gutmachen. Mein Prinzip des gesunden Schlanktellers ist angepasst an den modernen Stand der Ernährungslehre. Ein einfaches Prinzip, das jeder Tag für Tag – ob zu Hause, in der Kantine, auf Reisen, im Restaurant – umsetzen kann und sich dann nicht mehr mit dem Gedanken quälen muss: Ist das jetzt gut für mich, was da auf meinem Teller liegt?
Es gilt, die eine Tellerhälfte mit Gemüse zu füllen, dazu eine handtellergroße Menge Eiweiß – je nach Belieben Bio-Ei, Pilze, Hülsenfrüchte, Fisch oder Fleisch aus nachhaltigen Quellen. Kohlenhydrate sollte man flexibel auf den Teller bringen. Wer sich viel bewegt oder zunehmen will, kann mehr davon essen. Bewegungsmuffel und Menschen, die abnehmen wollen, sollten sich aber nicht mehr als ein bis zwei Hand voll kohlenhydrathaltiger Lebensmittel wie Reis, Nudeln, Kartoffeln auf den Teller packen. Natürlich darf auf dem gesunden Teller auch die gesunde Dosis Fette, etwa eine Daumengröße, nicht fehlen. Gesundes Fett ist elementar. Es ist nicht nur Geschmacksverstärker, sondern verlangsamt die Magen-Darm-Passage und sättigt. Individuell sollte man auch beim Thema Fett auf seine Verträglichkeiten achten.

Die perfekte Dekoration für unseren Teller sind Kräuter und Gewürze, die Kronjuwelen der Naturheilkunde. Tipp: einmal pro Woche ein bis zwei Sträußchen Petersilie verarbeiten, weil Petersilie ein kostengünstiges Füllhorn aus Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen ist.

WAGEN EINS: Bitterstoffe sind in. Sie halten sie ebenfalls für perfekte Energiebringer. Warum?

Fleck: Ich schwöre, wie bereits Hildegard von Bingen, auf ihre Heilkraft, denn damit schlägt man sogar drei Fliegen mit einer Klappe. Sie sind elementar für die gesunde Funktion der Leber. Die Leber ist ja die Grande Dame der Verdauung, des Stoffwechsels, der Entgiftung. Aber sie wird zu oft vergessen. Bitterstoffe stecken zwar auch in Grapefruit, Chicorée, Radicchio, in Fenchel, Schwarzbrot, Spargel. Aber sehr einfach und charmant ist es, Bitterstoffe regelmäßig zwischen den Mahlzeiten als Spray, frei von Alkohol und Konservierungsstoffen, auf die Zunge zu sprühen. Die zwei weiteren Vorteile von Bitterstoffen: Sie hemmen Heißhungergefühle und unterstützen als probiotisch wirksames Element die Darmflora.

WAGEN EINS: Können uns Nahrungsergänzungsmittel generell helfen, neue Energie zu tanken – oder sollte man lieber die Finger davonlassen?

Fleck: Ein leider noch stark unterschätztes Phänomen ist der latente, nicht aufgedeckte Mikronährstoffmangel. Diesen Mangel haben viele Menschen aus den verschiedensten Gründen. Wenn man eine moderne Medizin fördern will, ist es wichtig, Mikronährstoffe ins Boot zu holen. Das betrifft vor allem Magnesium, Selen, Jod, Vitamin B12, Vitamin D, Omega-3-Fette und Chrom. Ich muss allerdings vor einer unkontrollierten, inflationären und langfristigen Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln warnen. Das sollte immer kontrolliert erfolgen, und: Das Produkt sollte dem Prinzip der Reinsubstanzherstellung folgen. Also: keine Zusätze wie Gluten, Farbstoffe oder Ähnliches. Man muss Etiketten lesen lernen!

Manche müssen, etwa aufgrund chronischer Krankheiten, regelmäßig Medikamente einnehmen. Die sind auf der anderen Seite oft massive Mikronährstoffräuber. Es wäre ein großer Fehler, da nicht individuell passend und konsequent zu substituieren. Magensäureblocker verursachen etwa einen massiven Mangel an Vitamin B12. Es ist zum Beispiel auch belegt, dass schwere Verläufe von Corona im Blut nachweislich einen Mangel an Vitamin D und C aufweisen. Generell empfiehlt es sich, mal ein Vollblutmineralstoffprofil beim Hausarzt oder einem Arzt für Präventivmedizin machen zu lassen.

WAGEN EINS: Frühlingszeit, Fastenzeit: Was halten Sie davon?

Fleck: Fasten ist grundsätzlich etwas Gutes und gehört auch zu meiner Doc-Fleck-Methode. Weil Fasten den Magen-Darm-Trakt quasi in Kur schickt. Die körpereigene Müllabfuhr kommt in Schwung (Autophagie). Man muss aber nicht wochenlang fasten, es reicht schon ein Fastentag in der Woche oder im Monat, je nach Belieben – aber möglichst in Absprache mit einem fastenerfahrenen Arzt.
Mein Ansatz verzichtet auf das Nullfasten, ich reduziere die Kalorienmenge auf etwa 500 Kilokalorien. Auch Intervallfasten ist eine gute Methode. Aber Achtung: Man sollte immer schauen, welche Fastenart zu einem passt. Menschen mit Migräne, Reflux oder der Veranlagung zu Gallensteinen etwa müssen regelmäßig essen, dürfen nicht zu lange Fastenpausen einlegen. Hier reichen bereits zwölf bis vierzehn Stunden Nahrungspause über Nacht, um langfristig gute Effekte zu erzielen. Diese feine Differenzierung geht leider oft verloren.

WAGEN EINS: Das Problem: Essen ohne Hunger, Essen als Ersatzbefriedigung, etwa aus Stress oder Ärger. Wie geht man damit um?

Fleck: Man sollte sich erstmal bewusst machen: Warum isst du jetzt? Man sollte mit seinem Essen keine Gefühle abbinden wie mit Soßenbinder. Tipp: Schreiben Sie eine kleine Wohlfühlmacherliste. Der eine vermerkt hier „Musik hören“, der andere „Spaziergang“. Dann kann man in dem Moment, in dem man zum Beispiel wieder zur Chipstüte greift, Stopp sagen und eine Alternative aus seiner Wohlfühl-Liste wählen. Das Gehirn kann Verhaltensmuster auch wieder verlernen. Übrigens: Chips sind allein wegen ihrer Transfette alles andere als gesund. Generell gilt ¬– auch für Schokolade, mein Favorit: Die Dosis macht das Gift.

WAGEN EINS: Wir bewegen uns zu wenig. Wie motiviert man sich am besten, um wieder mehr in Bewegung zu kommen? Sie beschreiben eine „Gesundformel“ und die Kraft der Autosuggestion.

Fleck: Zunächst sollte man die Latte nicht so hoch hängen, sondern kleine Bewegungsinseln in den Alltag einbauen. Ich schreibe vom „Überalltraining“. Die ganze Welt ist für mich ein Fitnessstudio. Wenn ich etwa am Bahngleis warte, stehe ich nicht herum, sondern bewege mich. Ich nehme oft, wenn der Aufzug nicht da ist, die Treppe. Wenn ich einen Anruf bekomme, gehe ich mit dem Telefon herum. Warum macht man nicht nach jedem Toilettengang zehn Kniebeugen? Am Ende des Tages hat man dann ganz nebenbei vielleicht schon hundert Kniebeugen geschafft.
Eine Geheimwaffe ist die Kraft der Autosuggestion: Ein positiv formulierter Satz wie „Ich bin fit und voller Energie“, den man etwa 30mal und möglichst mehrmals am Tag vor sich hinmurmelt, wie ein Gebet oder Mantra, der funktioniert. Er stimuliert und motiviert. So ein Satz wirkt wie eine Gesundformel.