Blick von oben auf eine Gruppe junger multiethnischer Freunde, die mit Notizbüchern am Tisch in einer Bibliothek sitzen und lächeln
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Persönlicher Kontakt
Von Angesicht zu Angesicht

09/2020

Natürlich ist eine Konferenz, an der man vom heimischen Wohnzimmer aus teilnehmt, sehr praktisch. Warum es trotzdem wichtig ist, dass wir auch in Zukunft unsere Kollegen und Geschäftspartner persönlich treffen.

Corona kam, und halb Deutschland wechselte vom Büro ins Homeoffice. Technisch gesehen ist das kein Problem mehr: Digitale Plattformen wie Skype, Zoom oder Webex ermöglichen, dass wir vom Küchentisch aus mit Kollegen oder Geschäftskunden kommunizieren. Und natürlich ist Arbeiten von zu Hause aus praktisch, weil der Anfahrtsweg zum Job wegfällt und man (theoretisch) den ganzen Tag in Jogginghose verbringen könnte. Trotzdem freuen sich viele Deutsche darauf, an ihren Büroschreibtisch zurückzukehren und die Kollegen wiederzusehen. Ein Plausch oder ein gemeinsames Mittagessen, das weiß jeder, lässt sich eben nicht durch Videochats ersetzen. Aber es gibt noch weitere Gründe, warum wir auch in Zukunft unsere persönlichen Kontakte zu Geschäftspartnern und Mitarbeitern pflegen sollten.

Nonverbale Kommunikation ist das A und O

Oft geht es im Gespräch nicht nur um den Austausch von Zahlen und Fakten, sondern auch um Stimmungen und Gefühle. „Selbst die beste Video-Konferenz kann direkte Kontakte nicht ersetzen“, erklärt Klaus Dörre, Professor für Arbeits-, Wirtschafts- und Industriesoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. „Es gibt ja auch eine nonverbale Sprache. Um zu wissen, ob Sie jemandem vertrauen können, müssen sie der Person in die Augen schauen – und zwar ohne durch einen Bildschirm voneinander getrennt zu sein.“

Lächelnde weibliche Kollegen, die Schutzmasken tragen Grußmasken und Ellbogen am Arbeitsplatz springen, Frauen-Mitarbeiter in Gesichtsbeuteln schützen vor COVID-19 Coronavirus im Amt, Gesundheitskonzept
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Persönliche Kommunikation sorgt für bessere Abschlüsse

Sicher kann man einen Business-Deal auch am Telefon einstielen. Aber mal ehrlich, fehlt da nicht etwas? Zum Beispiel die Bahnfahrt zum Geschäftstermin, auf der man sein Smartphone ausstellt und in Ruhe nochmal die wichtigsten Punkte durchgeht. Oder der Fahrstuhl-Small-Talk auf dem Weg zum Meeting, bei dem gerne mal ein bisschen Unternehmens-Gossip ausgetauscht wird. Da erfährt man ja oft mehr als beim offiziellen Treffen … Und, ein weiterer Vorteil: Neue Produkte können vorgezeigt und von den Partnern in die Hand genommen und ausprobiert werden. So lassen sich Geschäftsbeziehungen wesentlich besser ausbauen, was sich auch auf die Abschlüsse auswirkt.

Dafür gibt es sogar Belege: Bei einer im Dezember 2011 von der Economist Intelligence Unit in London durchgeführten Untersuchung wurden 862 Führungskräfte aus über 19 Branchen zu ihren Einschätzungen über den Wert und die Auswirkungen direkter Kommunikation befragt. Von 75 Prozent der Befragten wird persönliche Zusammenarbeit als entscheidende Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg genannt. Dabei kommt noch ein weiterer Aspekt zum Tragen: Die Missverständnisse, die aufgrund von fehlender persönlicher Kommunikation entstehen, stellen bei größeren Projekten ein geschäftliches Risiko dar.

Eine Gruppe junger Geschäftsleute arbeitet im modernen Büro zusammen. Kreative Menschen mit Laptop, Tablet, Smartphone, Notebook. Erfolgreiches Hipster-Team bei der Mitarbeit. Freiberufler.
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Kreative Ideen entstehen im entspannten Miteinander

Die Arbeit von zu Hause aus wird noch zunehmen, derzeit wird in Deutschland bereits über ein Recht auf Homeoffice diskutiert. „Je mehr sich das durchsetzt, desto größer werden aber auch die Verlusterfahrungen sein“, warnt Prof. Dr. Klaus Dörre, „die kreativsten Ideen entstehen ja häufig beim Quatschen in der Kaffeeküche.“ Außerdem sei es für das Arbeiten eher produktiv, wenn man Abstand zur Familie habe.

Teambuilding außerhalb des Büros

Um ein loyales Team aufzubauen, sollte eine Atmosphäre geschaffen werden, in der sich Mitarbeiter wirklich austauschen können. Das gilt besonders für Unternehmen, deren Mitarbeiter auf verschiedene Standorte verteilt sind. Nicht umsonst organisieren viele Firmen Events oder Offsites, die den Mitarbeitern erlauben, sich auch abseits der täglichen Routine zu begegnen. So entstehen Synergien und Beziehungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Aber auch Vorgesetzte sollten Kontakte zu Mitarbeitern, die in anderen Städten arbeiten, pflegen. Ein persönlicher Besuch, ein Schulterklopfen vermitteln das „Du bist mir wichtig“-Gefühl und tragen so zur Motivation und Job-Bindung bei.

Digitale Konferenzen stressen

„Hallo, könnt ihr mich sehen?“ ist wohl der Satz, der bei Videocalls am häufigsten fällt. Denn leider ist nicht bei allen die Technik auf dem neuesten Stand. In der Corona-Krise entstand daher sogar ein neuer Begriff: „Zoom Fatigue“ bezeichnet die Erschöpfung von Menschen, die durch Teilnahme an Videokonferenzen bewirkt wird. Mal ruckelt das Bild oder es friert ein, dann versagt die Tonqualität, so dass einzelne Worte oder ganze Sätze verlorengehen. Das erfordert ein besonders aktives Zuhören. Auch die Verzögerung der Übertragung erschwert die Kommunikation. Menschen sind es gewohnt, auf eine Frage eine Antwort zu erhalten. Bleibt es auf der anderen Seite still, folgen Nachfragen oder Zwischenrufe, es kommt zu einer Unterbrechung. Dies führt oft zu einem erhöhten Stresslevel der Betroffenen.

Die Kollegen als Job-Motivation

Neben der Bezahlung mache vor allem die Beziehung zu den Kollegen den Reiz eines Jobs aus: „Eine Arbeit kann monoton, eintönig und stark belastend sein, doch wenn die ,Chemie’ am Arbeitsplatz stimmt, kann das manches kompensieren“, erläutert Professor Klaus Dörre. „Dazu kommt, dass Solidarität ja nicht zuerst im Netz entsteht. Man setzt sich für Kolleginnen und Kollegen ein, weil man sie kennt, weil man ihnen vertraut. Diese Nähe müssen wir uns unbedingt erhalten.“

Keine Frage, Menschen sind soziale Wesen, und Kommunikation ist dann am erfolgreichsten, wenn sie von Angesicht zu Angesicht geschieht. Das sieht selbst Apple-CEO Tim Cook so, der dem „Wall Street Journal“ erklärte: „Trotz all der Perfektion der Technologie und all der Dinge, die wir im Laufe der Jahre ermöglicht haben – nichts ersetzt die menschliche Interaktion.“