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Auszeit
„Weiterbildung darf Spaß machen“

05/2023

Viele Beschäftigte haben einen Anspruch auf Bildungsurlaub, doch nur wenige nutzen ihn. Warum das so ist, und welche Chancen in der besonderen Auszeit liegen, weiß Lara Körber (36), Mitgründerin der Plattform Bildungsurlauber.de

Eine Sprache lernen, einen Yogakurs belegen oder ein Kommunikationsseminar – unter Bildungsurlaub fallen viele Möglichkeiten für Arbeitnehmer:innen, sich neue Fähigkeiten anzueignen. Rund 27 Millionen Beschäftigte in allen Bundesländern außer Bayern und Sachsen haben einen gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Sonderurlaub zur beruflichen und politischen Bildung, in der Regel fünf bis zehn Tage pro Jahr. Aber im Durchschnitt nehmen nur 3,5 Prozent der Beschäftigten das Angebot wahr, wie aus einer aktuellen Befragung des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung unter 630 Personalchefs hervorgeht.

Urlaub als Chance: Lara Körber möchte Beschäftigte motivieren, sich weiterzubilden
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WAGEN EINS: Frau Körber, Bildungsurlaub ist nicht besonders beliebt – woran liegt das?

Lara Körber: Ich würde nicht sagen, dass Bildungsurlaub nicht besonders beliebt ist, das Problem ist eher: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.“ Die meisten Beschäftigten kennen ihr Recht auf Bildungsurlaub schlichtweg gar nicht. Wenn man mal seine Kolleg:innen danach fragt, schaut man oft in erstaunte Gesichter. Ich weiß aus meiner Zeit in Festanstellung, dass der Bedarf an Information und Aufklärung groß ist, auch weil Unternehmen nur selten darauf hinweisen.

WAGEN EINS: Woran machen Sie die Zurückhaltung noch fest?

Lara Körber: Selbst wenn Beschäftigte über ihren Anspruch informiert sind, zögern sie oft, Bildungsurlaub zu beantragen. Manche fragen sich: „Was denkt mein Chef oder meine Chefin von mir, wenn ich ein Yogaseminar mache oder ein Resilienztraining? Bringt mir das sogar Nachteile ein?“. In solch einer Unternehmenskultur finden Bedürfnisse von Beschäftigten – zum Beispiel ausgelöst durch Stress oder Rückenschmerzen – wenig Beachtung. Organisationen sollten in Bildungsurlaub Förderung statt Fehlzeit sehen – und zwar eine Förderung der individuellen Bedürfnisse der eigenen Mitarbeitenden.

WAGEN EINS: Tatsächlich ist der Bildungsurlaub sehr weit gefasst und reicht vom IT-Kurs bis zum Golf-Seminar – sind die Vorbehalte von Unternehmen da nicht berechtigt?

Lara Körber: Ich weiß, dass das Wort „Urlaub“ manche provoziert, denn „Urlaub“ steht normalerweise für freie Tage. Ich finde es aber trotzdem wichtig, weil im Wort mitschwingt: Weiterbildung darf Spaß machen! Und: Alle Bildungsurlaubsseminare haben ein von den Bundesländern geprüftes Lehrziel sowie einen festen Stundenplan. Bildungsurlaub ist also keine Freizeit.

WAGEN EINS: Sollten die Fortbildungen thematisch zum Job passen?

Lara Körber: Nein, Bildungsurlaub kann frei gewählt werden und nicht umsonst wird der Begriff der beruflichen Weiterbildung vom Gesetz umfassend verstanden. Es ist hochprofessionell, sich der körperlichen oder mentalen Gesundheit zu widmen. Wenn ich körperlich fit bin, erhält das auch meine Leistungsfähigkeit. Das gilt aber auch für das mentale Wohlbefinden, in dem ich meinen Horizont durch eine neue Sprache oder etwa einen Kurs für gewaltfreie Kommunikation erweitere. Ich empfehle Arbeitnehmerinnen, auf die eigenen aktuellen Bedürfnisse zu hören und dann selbstverantwortlich den passenden Bildungsurlaub auszuwählen.

Was Neues lernen: Mit dem Bildungsurlaub sollte man persönliche Entwicklungsziele verfolgen
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WAGEN EINS: Dennoch behandeln die Unternehmen das Thema eher defensiv – ein Fehler?

Lara Körber: Eindeutig: ja. Nicht wenige Beschäftigte sind unzufrieden in ihrem Job oder leiden unter zu viel Stress, manche haben innerlich gekündigt. Das führt zu mentalen und körperlichen Erkrankungen und belastet die Produktivität. Auf der anderen Seite bietet ein Bildungsurlaub den Mitarbeiter:innen die Chance, Kraft zu tanken und Neues kennenzulernen – und das kommt auch den Unternehmen zugute. Nach meiner Beobachtung wächst die Bereitschaft, sich dem Thema zu öffnen. Das liegt auch am Fachkräftemangel. Die Arbeitnehmer:innen vertreten ihre Interessen heute viel offensiver und fragen nach Möglichkeiten der Weiterbildung. Das gilt auf dem Jobmarkt als Indiz für eine gute Unternehmenskultur, die den Mitarbeitenden Wertschätzung und Vertrauen entgegenbringt.

WAGEN EINS: Was hat Sie bewogen, das Portal Bildungsurlauber.de mitzugründen?

Lara Körber: Ich selbst habe fast zehn Jahre als Festangestellte unter anderem im Marketing gearbeitet, als ich das erste Mal von meinem Recht auf Bildungsurlaub hörte. Zusammen mit dem späteren Mitgründer Anian Schmitt habe ich recherchiert und festgestellt, wie sehr das Thema im Dornröschenschlaf liegt. Wir sahen im Bildungsurlaub von Anfang an eine Chance, das Arbeitsleben in Deutschland zu verbessern, und das auf gesetzlicher Basis. Da ich mich zudem beruflich verändern wollte, habe ich mich getraut das Start-up mitzugründen.

WAGEN EINS: Was soll das Webangebot leisten?

Lara Körber: Wir schließen die große Informationslücke, die es bislang gab: Wir klären über das Gesetz auf, bieten auf unserem Portal Hilfe bei der Beantragung und vereinfachen die Kurssuche für das eigene Bundesland, bei der man zum Beispiel auch nach „Interesse“, „Preisspanne“ oder „Zeitraum“ filtern kann. Heute ist Bildungsurlauber.de das größte Aufklärungs- und Buchungsportal für Bildungsurlaub in Deutschland mit 14 000 Kursterminen und mehreren hunderttausend Nutzer:innen. Als wir 2020 an den Start gegangen sind, habe ich das nicht erwartet.

WAGEN EINS: Wie sehen Sie die Wachstumschancen?

Lara Körber: Wir sind zwar mitten in der Pandemie in einer schwierigen Zeit gestartet, doch gerade die Corona-Zeit hat bei vielen Menschen die Frage aufgeworfen, wie sie künftig arbeiten und leben wollen. Damit verbunden ist ein erhöhtes Bedürfnis nach Work-Life-Balance und mentalem und körperlichem Wohlbefinden als Basis für die eigene Leistungsfähigkeit. Ich bin sicher: Der Bedarf an Bildungsurlaub wird zunehmen.