Ein Programmierer Tippen Quellcodes am Strand in einer entspannten Arbeitsumgebung. Studieren, Arbeiten, Technologie, Freelance Work Konzept.
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Job & Privatleben
Work-Life-Blending: Wenn Job und Privatleben verschmelzen

07/2021

„Ach, die Präsentation kann ich auch im Urlaub fertigstellen“, „Feierabend? Der Kunde kann erst ab 21 Uhr mit mir telefonieren“. Kennen Sie das? Da verschwimmt die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben, auch Work-Life-Blending genannt. WAGEN EINS nimmt die Vor- und Nachteile unter die Lupe und gibt Tipps, wie man mit diesem Phänomen positiv umgehen kann.

Früher überschritt man nach getaner Arbeit sinnbildlich eine Grenze – die zwischen Beruf und Freizeit. Zwar lässt sich das „Früher“ nicht auf eine bestimmte Zeit festlegen und jede:r macht andere „Grenzerfahrungen“. Studien aber belegen: In Zeiten von Corona, wachsender Digitalisierung und steigender Zahl der Erwerbstätigen, die mobil arbeiten, überlappen sich Beruf und Privatleben mehr und mehr, die Trennung der beiden Bereiche wird zunehmend aufgehoben. In der Arbeits-, Wirtschafts- und Industriesoziologie spricht man von einer „Entgrenzung der Arbeit“, das Buzzword dafür ist Work-Life-Blending.

Mann arbeitet von zu Hause aus mit Laptop während der Quarantäne.
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Fluch oder Segen?

Work-Life-Blending kann auf der einen Seite so aussehen: Während des Sonntagsfrühstücks mit der Familie ruft Ihr Chef an und bittet darum, das wichtige Konzept auf jeden Fall noch bis Montagfrüh fertigzustellen. Auf der anderen Seite kann Work-Life-Blending aber auch so aussehen: Ihr Kind braucht Unterstützung beim Digitalunterricht, also verlängern Sie im Homeoffice Ihre Mittagspause und verschieben die Arbeitszeit einfach nach hinten. Wie eingangs gesagt: Jede:r macht andere Erfahrungen mit Work-Life-Blending. Die einen schätzen die Flexibilität, die anderen fühlen sich überfordert. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich mit flexibleren Arbeitszeiten Familie und Beruf besser vereinbaren lassen und im Homeoffice der Wegfall des täglichen Arbeitswegs nicht nur mehr private Zeit, sondern auch weniger Stress bedeutet. Doch auch für Work-Life-Blending gilt: Es gibt zwei Seiten einer Medaille.

Die Vorteile

Matthias Horx hält Work-Life-Blending für einen positiven Trend. Der bekannte Trend- und Zukunftsforscher meint, Work-Life-Balance, die Suche nach der Balance zwischen Arbeit und Freizeit, habe ausgedient. Die Vorteile von Work-Life-Blending werden auf seiner Unternehmens-Website zukunftsinstitut.de folgendermaßen zusammengefasst: „Wo die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben verschwindet, können persönliche Bedürfnisse im Tagesverlauf besser berücksichtigt werden. Das schafft nicht nur Entspannung und mehr Lebensqualität, sondern steigert auch die Freude an der Arbeit.“

Als weiterer Vorteil von Work-Life-Blending gilt eine höhere Effizienz. Ein Gesundheitsreport der DAK dokumentiert, dass die Produktivität im Homeoffice im Verlauf der Coronakrise sogar gestiegen ist: Der Anteil jener, die sich dort bei der Arbeit als produktiver empfanden, stieg zwischen der ersten Umfrage im April/Mai 2020 und des Updates im Februar 2021 von 57 auf 63 Prozent.
Eine über zwei Jahre angelegte Studie der Universität Stanford kommt bezüglich der Produktivität ebenfalls zu einem positiven Ergebnis. Die Erklärung: Menschen, die von zu Hause arbeiteten, könnten sich besser konzentrieren, weil sie weniger abgelenkt seien. Als bemerkenswert wird hier zudem angeführt, dass die Mitarbeiter:innenfluktuation in befragten Unternehmen um 50 Prozent gesunken sei und im Homeoffice weniger und kürzere Pausen gemacht würden. Auch gebe es weniger Krankheitstage.

Letztere Punkte als positiv, als Zeichen für Produktivität und damit Wirtschaftlichkeit zu deuten spiegelt wohl eher die Arbeitgeber:innensicht. Unberücksichtigt bleibt, inwieweit die Pandemie Arbeitnehmer:innen zurückgehalten hat, einen ungeliebten Job zu kündigen bzw. zu wechseln. Auch gibt die Studie keine weitergehende Auskunft über weniger und kürzere Pausen sowie weniger (gemeldete?) Krankheitstage.

Nachteile

Die „Süddeutsche Zeitung“ betitelte eine Kolumne jüngst mit „Wie ich verlernte, Pausen zu machen“. „Schnell“ was essen, „kurz“ an die frische Luft, das kenne wohl jede:r. Viele Menschen hätten ein schlechtes Gewissen, wenn sie mal länger nicht vorm Computer säßen. „Die Eigenverantwortung und die fehlende Kontrolle, ob und wie viel man am Arbeitsplatz sitzt, schlagen in so eine merkwürdige Beflissenheit um“, schreibt die Kolumnistin.
Dabei sind Pausen während der Arbeitszeit, ein „richtiger“ Feierabend und nicht zuletzt auch Urlaub für unser Wohlergehen, für unsere Gesundheit, unverzichtbar. Nicht umsonst sind im deutschen Arbeitszeitgesetz (ArbZG) unter anderem in § 4 Ruhepausen und in § 5 Ruhezeiten verankert.
Zwar werden Ruhezeiten durch Work-Life-Blending nicht aufgehoben, doch bilden sie keine fixen Werte mehr. Ihre Bedeutung scheint in den Hintergrund zu rücken, Arbeitszeitgesetze werden ausgehöhlt.

Der Autor Christian Scholz argumentiert, warum er sein Buch „Mogelpackung Work-Life-Blending“ betitelt hat: „Work-Life-Blending animiert uns zu Daueraktivität – vielleicht nicht mehr nur im Büro, sondern auch im Zug, im Café und im Strandbad.“ Manche Kritiker:innen sehen im Work-Life-Blending sogar einen gefährlichen Trend. Daueraktivität ist schließlich ungesund, Erschöpfungszustände bis hin zum Burn-out als Folgen sind hinlänglich bekannt.
Die Gefahr beim Work-Life-Blending wird aber vor allem darin gesehen, dass das Arbeitsleben das Privatleben so vereinnahmt, dass am Ende kaum Freizeit und Erholungszeit übrigbleiben. Hier greifen Selbstmanagement und:

Gesunde Rahmenbedingungen

Generell lässt sich sagen: Work-Life-Blending kann ein positives Konzept sein, wenn gewisse Voraussetzungen gegeben sind. Dazu gehören neben Vertrauen zwischen Arbeitnehmer:innen und Unternehmensführung ein hohes Maß an Eigenverantwortung, Selbstmotivation und -organisation.

Gesunde Rahmenbedingungen schafft man sich durch:

  • klare Absprachen mit der Führungskraft
  • gesundes Zeitmanagement: Planen Sie Ihren Arbeitstag! Heißt auch: Nein sagen können, um eine Überlastung zu vermeiden
  • die Kommunikation von Erreichbarkeitszeiten und deren Einhaltung
  • Pausen, die eine reale Auszeit abbilden. Bedeutet auch: das Mittagessen nicht am Schreibtisch einnehmen, nur um erreichbar zu bleiben
  • Abschalten! Hat man sein Arbeitspensum erledigt, gilt: Aus für Laptop und Diensthandy. Danach beginnt private Lebenszeit.