Diverse Geschäftsleute bei einer Teambesprechung in einem Büro, lachen, freuen sich
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Arbeitswelt
Rückruf in die Firma

04/2024

Immer mehr Unternehmen möchten ihre Beschäftigten wieder im Büro sehen – manche fulltime, andere auf Basis von Regeln, die auch weiterhin Home-Office und hybrides Arbeiten zulassen. In jedem Fall gilt: Wer die Rückkehr zur Präsenzarbeit nicht einfach dekretieren und damit mutmaßlich den Betriebsfrieden riskieren will, braucht Argumente.

Im Jahr 4 nach Beginn der Corona-Pandemie ist klar: Home-Office ist etabliert, die Arbeitswelt hat – zumindest für Büroarbeiter:innen – einen Wandel durchlaufen, der wohl kaum zurückzudrehen ist. Und zweifellos bringt die Heimarbeit Vorteile mit sich, die vom Azubi bis zum CEO jeder zu schätzen gelernt hat: flexiblere Gestaltung des Arbeitstages, mehr persönliche Autonomie, kurzer Weg zu Kühlschrank und Kaffeemaschine.

Doch die Freiheit hat auch Schattenseiten. Arbeitswissenschaftler:innen diskutieren noch, ob die Arbeit im Home-Office zu Produktivitätsrückgängen führt, während nicht wenige Führungskräfte davon längst überzeugt sind. Und sich an dieser Stelle fragen: Woran genau fehlt es, wenn die Zusammenkunft mit Kolleg:innen nur mehr digital ist? Und mit welchen Argumenten und Anreizen holt man die Belegschaft zurück in die Büros?

Plädoyer für den Mittelweg
Der Leipziger Arbeitspsychologe Hannes Zacher beispielsweise empfiehlt Hybridmodelle, also die Möglichkeit, weiterhin teils zu Hause, teils aber im Unternehmen zu arbeiten. Aus Forschendensicht wirken sich zwei Home-Office-Tage positiv auf Zufriedenheit und Produktivität aus.

Tatsächlich lässt sich – auch im Sinne des Arbeitserfolges – durchaus gegen ein Home-Office-Übergewicht argumentieren. Zachers Fachkollege Jan Dettmers von der Fernuniversität Hagen nennt etwa die Entgrenzung von Erwerbsarbeit und Freizeit eine Gefahr, der die Arbeit im Büro mit definierten Arbeitszeiten quasi von selbst entgegenwirke.

Arbeitnehmer im Home-Office entwickelten zudem eine größere Neigung zum „Präsentismus“, also zum Arbeiten trotz Krankheit. „Viele würden sich womöglich krankmelden, wenn sie ins Büro fahren müssten“, so Dettmers. „Zu Hause fühlen sie sich aber in der Lage, noch einige Aufgaben zu erledigen.“ Das könne sich jedoch negativ auswirken, weil man sich gar nicht mehr richtig erhole.

Weiteres Argument für die Präsenzarbeit: Der direkte Austausch mit dem Gegenüber im selben Raum ist durch digitale Treffen nur bedingt zu ersetzen. Denn obwohl sich Sachverhalte statt im Konfi ebenso gut per Zoom oder Teams besprechen lassen: Die virtuellen Räume erschweren eben das Vier-Augen-Gespräch vor oder nach dem Meeting, sie schlucken alle Spielräume für Konversation jenseits der Sitzungs-Agenda.

Hinzu kommt die soziale Dimension: Das informelle „Quatschen auf dem Flur“ vertieft persönliche Bindungen am besten, was sich auch positiv auf die gemeinsame Arbeit auswirkt. Eine spürbar gute Firmenatmosphäre wiederum erhöht die Identifikation der Mitarbeiter:innen mit ihrem Unternehmen. Ganz abgesehen davon, dass der Abstecher ins Nachbarbüro Zeit spart und persönliche Gespräche irritierenden Missverständnissen vorbeugen können, die man im fehleranfälligen Chat- oder Mailverkehr nur zu leicht produziert.

Kollegen lösen gemeinsam Probleme am Computer
Kontruktiver Austausch funktioniert im Büro oftmals besser.
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Team-Tage fördern Kreativität und Zusammenhalt
Um die Präsenz im Unternehmen effizient zu gestalten, empfiehlt es sich, abteilungsweise feste Tage zu bestimmen. Solche Routinen stärken nicht nur den Zusammenhalt, sie schaffen auch den Raum für planerische Prozesse oder den kreativen Austausch, den der/die Einzelkämpfer:in am heimischen Schreibtisch schlecht mit sich selbst pflegen kann.

Und noch ein Argument für die Team-Tage: Für die schnelle Integration neuer Kolleg:innen gibt es keinen besseren Weg als die Zusammenarbeit vor Ort. Wer hat nicht während der Corona-Lockdowns erlebt, wie neue und oft auch junge, berufsunerfahrene Mitarbeiter:innen:innen eine Stelle antraten, aber monatelang nicht in ihrem Job und ihrem Team ankamen?

Schließlich sprechen auch praktische und arbeitsrechtliche Gründe für die (zumindest zeitweise) Rückkehr ins Büro. Denn wer arbeitet zu Hause schon unter vergleichbar professionellen Bedingungen wie an einem eigens dafür eingerichteten Arbeitsplatz? Nach wie vor ist der Arbeitgeber aber in der Pflicht, gesundheitsgerechte – und das heißt: zumindest ergonomisch unbedenkliche – Arbeitsmittel zur Verfügung zu stellen. Das kann er im Unternehmen sicherstellen, während er auf die Ausstattung im privaten Bereich nur bedingten Einfluss nehmen kann.

Betriebsvereinbarungen sorgen für klare Verhältnisse
Gibt es keine anderslautenden Regelungen, können Chef:innen ihre Mitarbeiter:innen in der Regel qua Weisungsrecht zur Rückkehr ins Büro verpflichten. Ob das klug ist, steht auf einem anderen Blatt.

Harmonischer dürfte der Weg über Betriebsvereinbarungen zu Home-Office und Präsenzarbeit sein, die beide Seiten (die Beschäftigten in der Regel über den Betriebsrat) gemeinsam verabschieden.

Viele Unternehmen setzen jedoch nicht allein auf solche Regelungen, sie schaffen auch konkrete Anreize und Benefits, um Mitarbeitende zurückzuholen. Sie bietet der Softwarekonzern SAP verstärkt Kinderbetreuung und Sportmöglichkeiten an, der Versicherer Provinzial hat das kostenlose Mittagessen eingeführt, wieder andere Unternehmen zahlen pendelnden Beschäftigten Fahrtkostenzuschüsse.

Was übrigens auch aus Unternehmenssicht für Hybridlösungen spricht – Stichwort Fachkräftemangel: Wer die Flexibilität hybriden Arbeitens gar nicht oder nur eingeschränkt zulassen will, macht es sich unter Umständen selbst unnötig schwer, neue und kompetente Mitarbeiter:innen zu rekrutieren.