Geschäftsfrau, die zu einem Geschäftstreffen kommt, ein Fahrrad schiebt und das Telefon verwendet
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Arbeitszeit
Halber Job – doppeltes Glück?

04/2024

Die Gen Z macht es vor: weniger arbeiten, mehr leben. Viele Unternehmen testen die Vier-Tage-Woche. Lohnt der Verzicht auf Einkommen? Bremst Teilzeit die Karriere aus? WAGEN EINS kennt die Vor- und Nachteile.

Sie sind die ersten Generationen junger Erwachsener, die aktiv eine bessere Work-Life-Balance anstreben, als ihre Eltern sie haben. Die Studie „Gen Z and Millennial Survey 2023“ des Beratungsunternehmens Deloitte zeigt, dass viele Befragte der Gen Z (geboren 1995–2003) und der Millennials (1983–1994) ihre Arbeitszeit reduzieren möchten, um mehr Zeit für Familie, Hobbys und persönliche Interessen zu haben.

Es spricht viel dafür, dass die nachwachsenden Generationen von Arbeitnehmer:innen damit einen größeren Trend auslösen. Auf eine kurze Formel gebracht: halber Job, doppeltes Glück. So die Verheißung. Doch was ist dran?

„Es gibt für Millennials in Deutschland keinen Aspekt, den sie bei Gleichaltrigen derart bewundern wie eine gute Work-Life-Balance“, heißt es in der Deloitte-Studie. „Für die Generation Z ist nur ein Aspekt noch geringfügig anerkennenswerter: Engagement für Freunde und Familie.

Als beste Maßnahme, mit der Unternehmen die Work-Life-Balance ihrer Angestellten verbessern sollten, sehen junge Erwachsene die Einführung einer kompakten Vier-Tage-Woche. Dafür sprechen sich in Deutschland 34 Prozent der Generation Z und sogar 44 Prozent der Millennials aus.“

Von der Vier-Tage-Woche profitieren auch die Unternehmen
Dieses Arbeitszeitmodell, das 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit bei 100 Prozent Gehalt bedeutet, wird als Sprungbrett für ein glücklicheres und ausgeglicheneres Leben angesehen. Nach einer Studie von Wissenschaftler:innen der University of Cambridge und des Boston College in den USA kann eine Vier-Tage-Woche bei voller Lohnzahlung sogar die Produktivität am Arbeitsplatz steigern, da die Arbeitnehmer motivierter und weniger gestresst sind.

Davon profitieren auch die Unternehmen. 71 Prozent der Mitarbeitenden hatten einen niedrigeren Burnout-Level, und 39 Prozent gaben an, weniger gestresst zu sein als zu Beginn des sechsmonatigen Tests. Insgesamt gab es in diesem Zeitraum 65 Prozent weniger Krankheitstage und nur halb so viele Kündigungen wie im Vorjahr.

Die Einnahmen der Unternehmen blieben etwa gleich – sie stiegen im Durchschnitt sogar geringfügig um 1,4 Prozent. Einige Unternehmen in Deutschland haben diese Erkenntnisse für sich genutzt und bieten ihren Mitarbeitenden schon die Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich an. Das erhöht auch ihre Attraktivität als Arbeitgebende.

Eine Herausforderung auf allen Seiten
Ein Fallbeispiel dafür ist der IT-Dienstleister Nacura aus Paderborn, der zusammen mit 44 weiteren Unternehmen in Deutschland für ein Pilotprojekt der Unternehmensberatung Intraprenör ein halbes Jahr lang die Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich testet. „Für uns gab es vor allem zwei große Argumente: Zum einen die Work-Life-Balance, und der zweite Punkt ist die Mitarbeiterbindung und Akquirierung“, teilte Geschäftsführer Markus Nölker der Deutschen Presse-Agentur mit.

Auch für diesen Test gilt das Modell 100-80-100. Wenn aber 100 Prozent Leistung in 80 Prozent der Zeit erbracht werden müssen, erfordert das vom Unternehmen auch Optimierungen der Arbeitsprozesse – eine Herausforderung also auf allen Seiten. Aber bei Nacura haben bis auf zwei alle Mitarbeitenden dafür gestimmt.

Spanien, Barcelona, Beine eines jungen Geschäftsmannes beim Skateboardfahren in der Stadt
Mehr Freizeit: Die Entscheidung dafür sollte sorgfältig abgewogen werden.
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Die Alternative: Jobsharing und Teilzeitarbeit
Auch Jobsharing kann dazu beitragen, die Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu steigern, da sich die Arbeitnehmer:innen weniger überlastet fühlen, mehr Flexibilität in ihrem Zeitplan haben und Verantwortung teilen. Dieses Arbeitszeitmodell, bei dem zwei Arbeitnehmer:innen sich einen Arbeitsplatz teilen und wechselweise die Aufgaben erledigen, erfordert eine sehr gute Kommunikation und das Vertrauen der Arbeitgebenden, die das Ganze unterstützen müssen.

Hierbei – und generell bei der Teilzeitarbeit – sieht es aber nicht ganz so rosig aus wie bei der vollzeitbezahlten Vier-Tage-Woche. Denn ein Halbtagsjob verringert das Einkommen. Dies könnte – insbesondere für Familien und Alleinerziehende – problematisch werden.

Dennoch lohnt es sich, nachzurechnen: Ein geringeres Bruttogehalt kann auch einen niedrigeren Steuersatz bedeuten. Der „Nettostundenlohn“ würde in diesem Fall steigen. Man könnte auch bei der nächsten Gehaltsverhandlung anführen, dass man statt mehr Geld gern weniger Arbeitsstunden hätte. Da sind Arbeitgeber:innen häufig offen.

Wer Karrierepläne hat, braucht sehr gute Ideen, um die als Teilzeitarbeitende:r zu verfolgen. Denn das ist schwieriger als in Vollzeit. Eine Umfrage der Jobsharing-Experten Svenja Christen und Yannic Franken unter 149 Jobsharing-Mitarbeitenden ergab, dass 36 Prozent der befragten Frauen Nachteile für ihr berufliches Fortkommen sahen, bei den befragten Männern waren es sogar 56 Prozent. Im Umkehrschluss heißt das aber: Nicht wenige sehen nicht unbedingt Nachteile.

Die Frage ist: Was sind meine persönlichen Prioritäten?
Mehr und mehr zeigt sich: Die Vier-Tage-Woche, Teilzeitarbeit und das Jobsharing sind attraktive Optionen für Arbeitnehmer:innen, die sich mehr Flexibilität und eine bessere Work-Life-Balance wünschen.

Insgesamt ist die Entscheidung für mehr Freizeit eine individuelle Wahl, die sorgfältig abgewogen werden sollte, wenn finanzielle Auswirkungen und potenzielle Karrierehindernisse damit einhergehen. Dafür ist es sinnvoll, seine persönlichen Prioritäten und Ziele so klar wie möglich zu definieren. Das wäre der erste Schritt.